Was erwartet der Aktionskreis Halle vom Pastoralen Zukunftsgespräch?

Dazu möchte ich unseren Leitspruch vorausschicken: Es müssen viele Akte der Vergeblichkeit getan werden, wer soll sie tun, wenn nicht auch wir?

Der AKH ist also in seinen Erwartungen wenig euphorisch und sieht das in Angriff genommene Reformwerk eher recht nüchtern. Es gibt einige Dinge, die auf Bistumsebene sehr wohl zu ändern sind, aber es gibt sehr viel mehr dringend Reformbedürftiges, das auf dieser lokalen Ebene kein anzurührendes Thema werden wird.

Zudem sind in den letzten 50 Jahren auf unterschiedlichen Ebenen schon mehrere Reformvorhaben in Angriff genommen worden, allerdings meist halbherzig und mit keinem durchschlagenden Erfolg.

Kurz nach dem II.Vatikanum, 1965, waren die hochgespannten Erwartungen auf eine Erneuerung der Kirche noch so groß, dass hoffnungsvoll ein demokratisch verstandenes Mitbestimmungsrecht bei der Bischofsernennung angenommen wurde. Die Nichtbeachtung dieser wichtigen Frage löste Protest aus und führte später auch zur Gründung des AKH. Im Laufe der Jahre wurde es immer deutlicher, dass der Begriff „konziliare Erneuerung“ auf den unterschiedlichen kirchlichen und hierarchischen Ebenen mit verschiedenen Bedeutungen besetzt wurde, und letztendlich wurde u.E. kaum etwas wirklich erneuert, allenfalls ein paar kosmetische Korrekturen angebracht, wo lebensrettende Operationen nötig gewesen wären.

1966 setzten wir große Erwartungen in die Meissner Synode, die ganz besonders die Verhältnisse in der damaligen DDR berücksichtigte, dem Land, von dem die Glaubensspaltung ausging und das sich deshalb besonders für eine Versöhnung zwischen den Christen einsetzte. Nach dem Tod des Meissner Bischofs wurde die Synode 1971 in die sog. Pastoralsynode der DDR übergeleitet die bis 1975 schon wesentlich vorsichtigere Beschlüsse verabschiedete. Und trotzdem stellte z.B. Dieter Grande 10 Jahre danach noch fest, dass die volle Verwirklichung der Synodenbeschlüsse noch lange nicht geschehen ist.

1989 fand dann die „Ökumenische Versammlung“ unter dem großen Thema „Hoffnung“ und den drei großen Herausforderungen des Konz. Prozesses: Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung statt, allerdings von der katholischen Kirche kurze Zeit später folgenlos abgehakt, sozusagen nur als Auftaktveranstaltung für die Wende gedeutet. Im Zuge der Vereinigung wurde dann kurzweg und ohne Wenn und Aber das westdeutsche Kirchensystem übernommen und das war denn auch selbstverständlich das richtige, weil, wie alles aus dem Westen, bestens bewährt.

Inzwischen, am Anfang eines neuen Jahrhunderts angekommen, muss nun trotz all dieser Versuche allerorten festgestellt werden, dass die Gemeinden schrumpfen, überaltert sind, und das Image der katholischen Kirche zu wünschen übrig lässt. Kurz gesagt, viele Menschen haben sich enttäuscht, frustriert, und überzeugt von der Reformunfähigkeit der Kirche abgewandt.

Vor kurzem wurde in einigen Bistümern ein „Pastorales Zukunftsgespräch“ mit mehr oder weniger Erfolg geführt, wobei uns ein konfessionell einspuriger Erneuerungsversuch eines einzelnen Bistums an den Zeiterfordernissen vorbeizugehen scheint.

Trotzdem, der Bischof von Magdeburg hat nun ebenfalls ein Past. Zukunftsgespr. ins Leben gerufen, um in einem freimütigen Dialog mit allen Kirchenmitgliedern und unter Hinzuziehung professioneller Hilfe (nämlich einer Firma für Organisationsentwicklung) unser „Produkt(?) an den Mann bzw. an die Frau zu bringen“, weil die Kunden unzufrieden sind, wie es im Infobrief Nr.2 des Bistums so schön heißt; und weiter: „das Betriebsklima verhindert den Spaß an der Arbeit“. Was immer das bedeuten soll!?

Grundsätzlich wäre nun zu fragen: geht es bei diesem Gespräch um den internen Betrieb und die verbliebenen treuen Kirchgänger? Themenvorschläge wie: -Weihekondition, Personen, Gemeinde, Jugendpastoral, Kinderpastoral, Diakonia, Leiturgia, Martyria, Leitbild - lassen das vermuten. Oder soll es um eine Öffnung in die Gesellschaft gehen, um ein Ablegen der Ghettomentalität des Bewahrens und Erhaltens und um eine Verkündigung der frohmachenden Botschaft in einer allgemeinverständlichen Sprache, die sowohl enttäuschte Aussteiger, als auch Nichteingeweihte verstehen?

Und die zweite Frage wäre: Auf welche Weise könnte ein einzelnes Bistum diese unkonventionelle Öffnung wagen, ohne mit der sog. Welt- oder Romkirche in Konflikt zu geraten?

Bei der Themenauswahl wurde ja schon festgelegt, dass Themenvorschläge, zu denen Entscheidungen nur auf der Ebene der Weltkirche getroffen werden können, in einen Themenspeicher einsortiert werden, weil sie im Rahmen des PZG nicht bearbeitet werden können. Und da scheint u.E. auch das eigentliche Handicap des Unternehmens zu liegen. Wir ahnen, dass auch unsere Themenvorschläge kaum ins vorgegebene Raster passen. Und was passiert dann mit dem Speicher? Wird er für die nächsten Jahre tiefgefroren?

Denn wenn an eine Öffnung und Neustrukturierung der Gemeinden gedacht wird, dann wäre schon das Beharren auf gewohnten kirchlichen Sprachregelungen die für niemand Außenstehenden verständlich sind, zu hinterfragen. Dann müssten Glaubensinhalte auch für argumentative Rückfragen offen sein und Glaubenswahrheiten, die ohnehin nur Bilder sind, wären nicht mehr unantastbar, sondern offen für neue Bilder und neue Glaubenshorizonte. Glaubensbehauptungen müssten sich dann in überzeugende Glaubensangebote wandeln. Das alles wäre auch für die Verkündigung nicht folgenlos, wobei zu fragen wäre, ob die Verkündigung denn überhaupt auf dem neuesten Stand der Theologie sein will?

Für eine fruchtbare und bereichernde ökumenische Zusammenarbeit scheint wegen immer neuer und höherer Hürden und Abgrenzungen der Kirchenleitungen niemand mehr den nötigen Elan zu haben. Es scheint Angst vor Identitätsverlust zu geben. Je mehr Missverständnisse auf theologischer Ebene ausgeräumt werden, desto beharrlicher wird auf pastorale Unvereinbarkeiten hingewiesen. Auf unsensible katholische Erklärungen, wie „Dominus Jesus“, erfolgen entsprechende protestantische Retourkutschen , die man dann bedauerlich findet. Der ganz normale Christ kann dem schon lange nicht mehr folgen und ist entweder irritiert oder schlichtweg „ungehorsam“, wobei der fatale Begriff des Gehorsams, der immer wieder eingefordert wird, auch einer gründlichen Differenzierung bedarf. Was bedeutet z.B. in diesem Zusammenhang die Aufforderung zur persönlichen Verantwortung des mündigen Christen?

Ein Thema, an dem sich auch die Geister scheiden, ist das Ämterverständnis in der Kirche. Ganz abgesehen vom allgemeinen Priestertum der Gläubigen und ihrer Kompetenz für die verschiedensten Ämter ist es, um nur eines der Probleme zu erwähnen, schlichtweg verboten über Diakoninnen oder Priesterinnen nachzudenken oder gar zu diskutieren. Ich, als Frau in der Kirche des 21. Jahrhunderts, habe diesen Anachronismus als selbstverständlich und „gottgewollt“ hinzunehmen, weil ich dem Manne zwar ebenbürtig, aber noch lange nicht gleichberechtigt bin (?). Hierher gehört auch die Forderung nach einem verbindlichen Berufsbild für Priester. Es kann nicht sein, dass lediglich eine ausreichende Intelligenz fürs Studium, der Wunsch, Priester zu werden, männlich und damit der Weihen würdig zu sein, ausreicht, um einen jungen Mann auf eine Gemeinde loszulassen, und dieses Gemenge dann dem Selbstlauf zu überlassen, um das mal ganz salopp zu sagen. Haben Gemeindeleiter ohne Priesterweihe überhaupt einen Status in der Kirche?

Die Art der Erhebung und Eintreibung der Kirchensteuer ist inzwischen auch zum Stein des Anstoßes geworden. Zum einen wegen der fehlenden Transparenz bei Zuteilung und Verwendung dieser Steuergelder und auch deshalb, weil es dem einzelnen unmöglich ist, Einfluss zu nehmen auf die Art der Verwendung. Eine Verweigerung der Zahlung ist nur möglich durch Erklärung des Kirchenaustrittes vor einer staatlichen Stelle und das zieht wiederum die kirchliche Strafe der Exkommunikation nach sich, obwohl die Kirche selbst weder Kirchenaustritt noch Ausschluss aus der Kirche kennt. Eine differenzierte Begründung der Austrittserklärung ist außerdem nicht vorgesehen. Zum anderen wegen der in unseren heutigen stark gewandelten gesellschaftlichen Verhältnissen kritisch zu hinterfragenden Methode der rigorosen staatlichen Steuereintreibung im Auftrag der Kirche. Diese Steuer- bzw. Strafregelung aus der Zeit der Weimarer Verfassung wäre dringend reformbedürftig.

Ein verantwortlicher Umgang mit Eigentum, Grund und Boden sollte – wo, wenn nicht in den Kirchen? – Vorbild sein für ein soziales Gemeinwesen, das zwar in den Sozialenzykliken immer bejaht und gefordert wird, aber nur im Blick auf die „Anderen“. Wenn die „Option für die Armen“ nicht ein bloßes Lippenbekenntnis bleiben soll, dann ist ein „Widerstand gegen die Reichen“ (und ein selbstkritisches Nachdenken über eine Zugehörigkeit zu diesen Bevorzugten) in Form von Einmischung in die gegebenen Umstände unumgänglich.

All diesen Themen ist sicherlich kaum auf einer separaten Bistumsebene beizukommen.

Es bleiben die Überlegungen zur pastoralen Gemeindestruktur.

Wenn unsere Gemeinden sich weiterhin vorwiegend als Selbstzweck sehen, zur Bewahrung der überkommenen Güter, als Orte der Frömmigkeit, Geborgenheit und Nestwärme, dann werden sie sich kaum von irgend einem Heimat-, Folklore-, oder Hobbyverein unterscheiden. Jedenfalls werden sie nicht als das Salz der Erde oder Sauerteig in der Gesellschaft wahrgenommen.

Und da wären wir wieder bei einer Öffnung der Gemeinden auf alle Menschen zu angelangt. Einem wirklichen Abenteuer, bei dem man allerdings auch bereit sein muss, Liebgewordenes loszulassen um ganz neue heilmachende, vielleicht sogar revolutionäre Erfahrungen zuzulassen – für alle, (und nicht nur die braven und gehorsamen) Mühseligen und Beladenen, denen Jesus damals und heute verspricht:„Kommt zu mir, ich will Euch erquicken“.

Monika Doberschütz