Initiative für eine Basisbewegung ,,AUFBRUCH"
(zur Erneuerung des Konziliaren
Prozesses)
(Fassung vom 30.10.2001)
Anders besser leben
zukunftsfähig
- mit Körper, Geist und Seele
Die
notwendige Wende zu einer zukunftsfähigen Lebensweise muss von unten kommen -
von Menschen, die zeigen, dass es möglich ist, anders zu leben als bisher. Und
sie muss von innen kommen - von Menschen, die an sich selbst erfahren, dass es
besser ist, anders zu leben als bisher. Schaffen wir gemeinsam eine
gesellschaftliche Bewegung für einen kulturellen Aufbruch in eine nachhaltige,
lustvolle und solidarische Lebensweise!
Erinnerung
Es gibt
seltsame Widersprüche zwischen unserem Wissen unseren Idealen und unserer
Lebensweise.
Die
Terroranschläge am 11. September 2001 und die darauf folgenden Ereignisse haben
uns brutal auf das gestoßen, was wir schon länger wissen:
·
die
Weltwirtschaftsordnung ist nicht gerecht, solange sie die Kluft zwischen
Reichen und Armen immer weiter aufreisst;
·
unser Pro-Kopf-Verbrauch
an Lebensmitteln, Energie und Rohstoffen lässt sich nicht auf alle Menschen
weltweit übertragen und ist nur zu Lasten der Armutsländer möglich;
·
die internationale
Politik wird hauptsächlich von kapitalistischen Interessen, ideologischer
Vorherrschaft und militärischer Gewalt bestimmt; diese Art der Globalisierung
erzeugt je länger je mehr Hass und Terrorismus.
Das alles
wissen wir, auch wenn wir es immer wieder verdrängen, verständlicherweise. Und
zugleich glüht noch immer in uns die Vision einer friedlichen, gerechten und
armutsfreien Weltgemeinschaft. Eigentlich möchten wir solidarisch leben -
denn nur das ist zukunftsfähig.
Wir wissen:
durch
unsere Abgase wird das Klima auf der Erde in dramatischer Weise verändert und
die Ozonschicht fortschreitend zersetzt;
·
riesige Wälder werden
für uns abgeholzt oder von unseren Schadstoffen krank gemacht;
·
infolge unserer
bisherigen Lebensweise werden Tiere gequält und zahllose Tier- und
Pflanzenarten ausgerottet.
Andererseits
lebt in uns der Traum, mit unserer Mitwelt im Einklang zu leben. Wir möchten
eigentlich ökologisch leben - denn nur das ist zukunftsfähig.
Wir wissen:
in den Lebensmitteln aus konventioneller
Landwirtschaft und industrieller Produktion werden immer wieder schädliche
Substanzen nachgewiesen;
·
Allergien, Krebs und andere
Systemerkrankungen nehmen zu;
·
viele Menschen arbeiten
zu viel, während sehr viele andere keine bezahlte Arbeit bekommen;
·
das Überangebot an
Unterhaltung und Information macht uns passiv und lenkt
uns vom Wesentlichen im Leben ab.
Unsere Sehnsucht nach einem guten und sinnerfüllten
Leben wird so nicht gestillt. Eigentlich möchten wir gesund an Leib
und Seele leben - denn nur das ist zukunftsfähig.
Wir wissen:
die Erde ist begrenzt. Aber durch unsere Lebensweise
verbrauchen wir in den reichen Industrieländern den grössten Teil der knapper
werdenden Rohstoffe und produzieren den weltweit größten Anteil an umweltschädlichen
Stoffen, an giftigem und an radioaktivem Müll.
Doch zugleich haben wir den Wunsch, unsere Zukunft
nicht zu verbauen und unseren Kindern, Enkeln und allen zukünftigen Lebewesen
nicht zu schaden. Wir möchten eigentlich nachhaltig leben - denn nur das ist
zukunftsfähig.
Wenn das so ist, dann wollen wir uns
entschließen, anders besser zu leben: tatsächlich zukunftsfähig - mit Körper,
Geist und Seele!
Da eine andere, bessere Lebensweise nicht von oben
verordnet werden kann, wollen wir selbst unsere Lebensweise ändern -
deutlicher und konsequenter als bisher. Wir wollen unser privates
Konsumverhalten schrittweise überprüfen und ökologisch umgestalten, unser
Sozialverhalten verstärkt an Solidarität und Zusammenarbeit ausrichten und eine
geistige Orientierung jenseits des Materialismus suchen.
Mit dieser Betonung unserer Eigenverantwortung will
unsere Basisbewegung keineswegs die PolitikerInnen aus ihrer Verantwortung
entlassen. Vielmehr wollen wir wieder radikaler als in den letzten Jahren die
Umgestaltung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen einfordern. Wo
Forderungen nach Zukunftsfähigkeit von nicht-staatlichen Organisationen (NGOs), Protestbewegungen wie Greenpeace
oder Attac, von
Gewerkschaften, Jugendverbänden oder Kirchen erhoben werden, wollen wir
sie unterstützen. Wir verstehen unsere Bewegung als notwendige Ergänzung zu
anderen Initiativen. Unser Motto soll sein:
„Wer politische Forderungen stellt, ohne sein eigenes
Leben zu verändern, ist ein Heuchler; wer nur sein eigenes Leben verändert,
ohne politische Forderungen zu stellen, ist ein Träumer.“
Uns geht es nicht um Verzicht, sondern um Befreiung
aus einem überholten Kulturmuster, nicht um Verlust, sondern um Gewinn an
Lebensqualität. Wir wollen die notwendigen Veränderungen gemeinsam mit anderen
verwirklichen, indem wir Aufbruchsgruppen bilden. Wir werden dabei
unsere Kreativität entfalten, Spass haben, neuartigen Genuss erproben und
verschüttete Weisheiten wiederentdecken
In der
folgenden Entschließung nennen wir Beispiele für wichtige Elemente
einer zukunftsfähigen Lebensweise. Sie sind weder vollständig, noch müssen
sie alle auf einmal verwirklicht werden. Sie stellen kein fertiges Programm
dar, sondern sollen die Richtung des Aufbruchs anzeigen. Sie können zu dem
guten Gefühl führen, im Einklang mit sich, der Mitwelt und den Zukünftigen zu
leben.
Entschließung
1. Gut leben statt viel haben
-- für ein
nachhaltiges Konsumverhalten
um uns
wohlzufühlen, brauchen wir nicht besonders viele und vielerlei Güter und
Dienstleistungen, sondern gute.
Daher wollen wir...
·
beim Einkauf von Lebensmitteln
auf ökologische Erzeugung, artgerechte Tierhaltung und regionale Herkunft
achten. Wir wissen, dass Qualität ihren Preis hat. Aber bei der Menge an
Fleisch- und Wurstwaren sowie bei etlichen Genussmitteln können wir sparen
·
beim Kauf von Kleidung
uns von modischen Trends freimachen, und mehr auf Haltbarkeit sowie auf die
ökologischen und sozialen Bedingungen ihrer Produktion achten; denn niedrige
Preise werden meist nur durch Hungerlöhne in Armutsländern oder gar
Kinderarbeit ermöglicht.
·
bei allen Konsumgütern
uns fragen, ob sie nötig sind, sowie auf ihre Energiebilanz achten, auf
Langlebigkeit und Reparierbarkeit, die Wiederverwendbarkeit oder
Verrottungsfähigkeit der Materialien und auf möglichst geringe Verpackung.
Brauchbare Kleidung und andere intakte Konsumgüter (z.B. Möbel) wollen wir ,in
Second-hand-Läden geben, statt sie
wegzuwerfen, und selbst bereit werden, dort einzukaufen.
·
bei der Raumheizung auf
gute Dämmung, richtiges Lüften und angemessene Temperatur achten. Wasser
wollen wir sparsam verwenden und Warmwasser möglichst durch Sonnen-Kollektoren
erzeugen. Elektrischen Strom wollen wir im Verbrauch senken und von
Ökostrom-Anbietern beziehen.
·
wann immer möglich- das Fahrrad
und öffentliche Verkehrsmittel benutzen, aber ein Flugzeug nur in dringenden
Fällen. Bei Freizeit und Urlaub wollen wir statt auf Entfernung und Exotik auf
Sozial- und Naturverträglichkeit achten und Schönheiten zuerst im Nahbereich
entdecken. Langsames Reisen lässt uns mehr erleben und schadet der Mitwelt
weniger.
·
beim Bauen und
Renovieren möglichst nur baubiologische Materialien und kein Tropenholz
verwenden, da wir sonst unserer Gesundheit und der Mitwelt schaden.
·
bei Krankheit uns
nach Möglichkeit an alternativen Heilverfahren orientieren und, soweit möglich,
nur solche Medikamente benutzen, die nicht an Tieren getestet oder unter hohem
chemischen Aufwand hergestellt wurden.
2. Solidarität statt Konkurrenz
- für ein
zukunftsfähiges Sozialverhalten
Die
Linderung sozialer Probleme in Deutschland und von Massenarmut in Osteuropa,
Afrika, Asien und Lateinamerika ist eine Aufgabe der Geschwisterlichkeit aller
Menschen. Sie ist die Grundlage nationaler und internationaler
Friedenssicherung.
Daher wollen wir...
· uns für Asylsuchende und Flüchtlinge bei uns einsetzen, von ihren Kulturen lernen und gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung in unserem Land eintreten
·
uns durch Spenden,
persönliches Engagement und durch Information für Selbsthilfeprojekte und
soziale Bewegungen in Armutsländern einsetzen.
·
so viel wie möglich Produkte
aus Fairem Handel kaufen und zu verkaufen helfen, weil die höheren Preise
den Erzeugern in Armutsländern ermöglichen, ihre Lebensbedingungen zu
verbessern.
·
Arbeit teilen, indem diejenigen, die Arbeit haben, - wenn möglich -
ihre Wochen-, Jahres- und Lebensarbeitszeit verkürzen, selbst wenn sie dadurch
weniger Geldeinkommen beziehen: der Zugewinn an Freizeit und die zusätzliche
Beschäftigung von Arbeitslosen sind wichtiger als noch mehr Konsum.
· erspartes oder geerbtes Vermögen und einen Teil unseres Einkommens vorrangig nach sozialen und ökologischen Kriterien anlegen, verleihen oder verschenken.
·
Autos, Geräte und
Maschinen mit anderen Menschen gemeinsam anschaffen und benutzen (z.B.
Car-Sharing bzw. Statt-Auto) und bereit sein zum Verleihen und Ausleihen von
Gebrauchsgütern (z.B. von Büchern, Zeitschriften, CDs, Werkzeug u.ä.); denn so
werden Material und Produktionsenergie gespart und soziale Kontakte gefördert.
Für Dienstleistungen wollen wir uns an Tauschringen beteiligen.
·
die Erfahrungen der
Ä1ternativ-Bewegung mit gemeinschaftlichem Leben und Arbeiten wertschätzen
und - wo immer möglich - kooperative, selbstbestimmte Formen von Arbeit entwickeln.
3. Spiritualität statt Materialismus
- für eine
neue Geisteshaltung
Die
kapitalistische Wirtschaft kann sich bisher auf unser inneres, oft unbewusstes
Einverständnis mit dem Konsumismus verlassen. Ein Aufbruch aus dem
zugrundeliegenden Materialismus erfordert geistige Alternativen und
Kraftquellen, die vom herrschenden technisch-ökonomischen Kulturmuster
unabhängig sind.
Daher wollen wir...
·
uns Zeiten und Räume
der Stille schaffen und für Abstand von der alltäglichen Reizüberflutung,
von Hektik und Stress sorgen. Mit regelmässigen Übungen der Meditation, von
Yoga, Chi Quong, Autogenem Training, Eurythmie o.ä. können wir Körper, Geist
und Seele Gutes tun.
·
den extremen
Individualismus der Neuzeit überwinden, indem wir uns dessen bewusst werden,
dass wir mit anderen Menschen, mit allen Lebewesen, mit Luft, Wasser, dem
Planeten Erde und der Energie der Sonne unauflöslich verbunden sind.
Solches Bewusstsein weckt in uns große Dankbarkeit, lässt uns umfassendes Glück
erfahren und führt uns in tiefe Liebe zu Menschen, Tieren, Pflanzen und allem,
was ist.
·
mehr Aufmerksamkeit auf
unsere Beziehungen mit unseren nächsten Angehörigen, FreundInnen und
KollegInnen richten; besonders wollen wir Zuhören und das Verstehen der anderen
üben; durch die vielen Möglichkeiten von Supervision, Selbsterfahrung und
Therapie wollen wir unser Selbstverständnis und diese Beziehungen heilen und
vertiefen; Konflikte wollen wir ohne Gewalt lösen; im Verhältnis zwischen
Frauen und Männern wollen wir sensibler werden für die immer noch bestehenden
patriarchalen Muster; Kinder, Jugendliche, Behinderte und alte Menschen wollen
wir mit ihren jeweils besonderen Bedürfnissen wahrnehmen.
·
unser Verhalten
orientieren an Ehrfurcht vor allem
Leben, Gewaltfreiheit, Wahrhaftigkeit, Versöhnungsbereitschaft, Mitgefühl,
Toleranz sowie Achtsamkeit in allen Situationen.
·
unser Verständnis von Glück
und Sinn nicht mehr von Einkommen und Besitz bestimmt sein lassen,
sondern von nicht-materiellen Werten wie Liebe, Freude, innerer Frieden,
Schönheit, Sinnlichkeit. Aber auch Schmerz, Krankheit und Sterblichkeit wollen
wir in unser Verständnis von Leben einbeziehen.
·
uns zurückbesinnen auf
die wertvollen Elemente der christlichen Religion oder der
abendländischen Philosophie; wir wollen ebenso von nicht-europäischen
Geistestraditionen und von allen Religionen lernen, insbesondere von der mystischen
Spiritualität, die allen Weltreligionen gemeinsam ist.
Ermutigung
Wir brauchen nicht bei Null anzufangen. Vieles bewegt
sich parallel und manches könnte sich bündeln, damit wir eine „kritische Masse“
werden.
Schon
bisher gab es breite Bewegungen für eine alternative Kultur: die Frauen-, die Friedens-, und die Umweltbewegungen,
die Eine-Welt-Solidarität, die Alternativbewegung mit ihren vielfältigen
Gemeinschaftsprojektcn. Deren Auswirkungen sind keineswegs vergangen, nur weil
man sie nicht mehr so oft auf der Straße sieht. Empirische Studien haben
gezeigt, dass in USA und ebenso in Deutschland und im übrigen Europa jeweils viele
Millionen Menschen eine Neuorientierung ihrer Lebensweise wollen und
teilweise bereits verwirklichen (die sogenannten ,,Cultural Creatives").
Neben sozialen und ökologischen Werten spielen psychotherapeutische und spirituelle
Orientierungen eine herausragende Rolle. Die meisten dieser Menschen fühlen
sich allerdings gelähmt, weil sie meinen, sie seien isoliert, ohnmächtig und
viel zu wenige. Dies frustrierende Gefühl kann durch Kommunikation und Vernetzung
überwunden werden.
Es gibt
darüber hinaus auch organisierte weltweite Aufbruchsbewegungen in eine
andere Welt als die jetzige: die Umsetzung der Agenda-21-Ziele (von der
UN-Konferenz 1992 in Rio de Janeiro) besonders auf kommunaler Ebene, die großen
nicht-staatlichen Organisationen (NGOs), die Erd-Charta-Bewegung, das
,,Manifest 2000" der UNESCO, das Welt-Ethos-Projekt der Weltreligionen.
Der international vernetzte Protest gegen die kapitalistische Globalisierung
ist - entgegen dem bisherigen Bild in der Öffentlichkeit - zugleich eine
Bewegung für eine ,,Globalisierung von unten". Besonders ermutigend ist
der grosse Zulauf zu dem internationalen Netzwerk Attac.
Schon
länger, aber weniger spektakulär, breitet sich ein neues Weltbild aus:
von den Naturwissenschaften her entsteht in mehr und mehr
Wissenschaftsbereichen ein systemisches, ganzheitliches Denken. Es trägt zu
einem neuen Verständnis des Menschen von sich selbst und von seinem Verhältnis
zur Mitwelt bei. Die Natur wird nicht mehr als zu beherrschendes Gegenüber
verstanden, sondern wir Menschen als ihr integraler Teil, als Zellen in einem
erdumspannenden Lebensnetz. Mit einem solchen Bewusstsein brauchen wir keine
ethischen Appelle mehr, sondern wollen ganz ,,selbstverständlich" anders leben
als bisher: solidarisch, ökologisch, gesund, nachhaltig und also zukunftsfähig.
Die Zeit ist reif für einen Aufbruch aus
Gewohnheit, Verdrängung und
Resignation. Eine andere Welt ist
möglich!
Wir wollen
und können anders besser leben: zukunftsfähig - mit Körper, Geist und Seele.