Eine Partnerschaft findet ihr „natürliches“ Ende

Beitrag zur Schlusssitzung des Bensberger Kreises

 

Wenn der BK heute seine Auflösung beschlossen hat, bleibt der AKH quasi als Witwe zurück. Das Bild mag, wie fast alle Bilder, gewollt wirken, aber lassen sie mich mal eine Weile in diesem Bild von der menschlichen Partnerschaft schwelgen.

Ich erinnere mich an eine Zeit, in der der AKH sehr von dem Traum lebte, einen starken Geliebten zu finden, der der eigenen Schwäche die nötige Stabilität und wissenschaftliche Tiefe geben könnte. Da war doch, noch ehe wir 1969 selbst ins Leben traten, schon so ein Memorandum erschienen: Frieden sollte sein, die Aussöhnung mit dem polnischen Nachbarn war das Thema. Endlich mal jemand, der nicht nach der Revision von Grenzen rief, endlich jemand, der sich in der historischen Verantwortung wusste und sich der Reihenfolge schuldhafter Verstrickungen bewusst war. Bis zum Kniefall Willy Brandt’s in Warschau dauerte es nach diesem Memorandum noch mehr als 5 Jahre, die große Rede Richard v. Weizsäckers gar brauchte schon den 40. Jahrestag der Kapitulation/der Befreiung 1985.

In der sehr abgeschotteten DDR, spaßeshalber mal verglichen mit der Situation einer heiratsfähigen Jungfrau in streng patriarchalischen Zeiten, war der AKH zu seiner Selbstfindung, quasi seinem Erwachsenwerden, sehr auf sich selbst angewiesen, immer im Clinch mit dem verständnislosen, Disziplin und Unterwerfung einfordernden Vater und Episcopus, immer auf der Suche nach Anregung, nach geistig/geistlicher Nahrung, nach Möglichkeiten eigener Aktivität.

Und sehr bald mussten wir ja auch bemerken, dass nicht nur der gestrenge Vater uns an der Entfaltung zu hindern versuchte, sondern dass auch die staatliche Ordnung uns argwöhnisch beäugte. Aber wir suchten unseren Weg und fanden zumindest immer wieder Pfade, Stege, schmale Gassen, in denen wir ein wenig Freiheit und aufrechten Gang üben konnten. Da amüsierte es uns schon und machte uns doch gleichzeitig fürchterlich wütend, als wir bemerkten, dass Bischöfe und Stasi offensichtlich gegenseitig darauf warteten, dass der je andere uns endlich zu Fall und zum Verschwinden brachte.

Aber wir wurden größer und selbstbewusster und gelassener und gegen Ende der DDR an Mitstreiterzahlen sogar so fett, dass wir meinten, wir wären jetzt eine stabile Größe, die fremder Hilfe nicht mehr bedarf.

Die DDR war dann Vergangenheit, alle von uns hatten je an ihrem Ort und mit ihren Möglichkeiten mitgeholfen, dass Freiheit und Menschenwürde nicht nur denkbare, sondern auch wieder aussprechbare Wünsche und Ziele wurden. Das Gefängnis doppelter Überwachung und Einengung war gesprengt, endlich konnten wir richtig loslegen  --

und mussten feststellen, dass wir wieder so schlank wie in den schwierigen Zeiten waren. Allzu viele, die zum Ende der 80-ger Jahre zu uns gestoßen waren, waren plötzlich nicht mehr da. Andere Möglichkeiten, Pflichten, Aufgaben waren ihnen wichtiger; und uns blieb die Hoffnung, sie mit unserer Arbeit dafür mit ausgerüstet zu haben.

Und uns blieb die Erfahrung nicht erspart, dass auch in uns selbst Krankheitskeime aktiv gewesen waren, die unsere Existenz von innen heraus stören sollten.

 

Nun standen wir also plötzlich frei und ohne Angst in einer völlig veränderten Welt: Ein ganzer Staat war abhanden gekommen, der einst überstrenge Patriarch war durch einen jovialen, eigentlich an uns uninteressierten „Papa“ ersetzt worden, alle Möglichkeiten standen uns offen. Wir aber waren ja wieder nur wenige, und die Fragen des Anfangs standen neu: Was wollen wir, wie ist das zu erreichen, wer soll die konkrete Arbeit tun?

Woran wir schon lange nicht mehr gedacht hatten, wurde plötzlich Realität: ein strahlend schöner Held, erfolgsgekrönt und voller Selbstbewusstsein, bot uns Zusammenarbeit an. Gemeinsam arbeiten, die verschiedenen Erfahrungen und Sichtweisen zusammenbringen – das war doch ein Leben, das sich lohnte. Gegenseitige Besuche, erste Versuche gemeinsamen Arbeitens, die Bildung von Arbeitsgruppen, die Erarbeitung der früher schon so bewunderten Memoranden... an all dem sollten wir nun teilhaben, durften wir mittun, waren wir offensichtlich gern gesehene Gäste.

Es ist sehr schnell gesagt, aber es kann gar nicht oft und lange und intensiv genug gesagt werden:

Wir danken Euch:

Ø      für eure Offenheit,

Ø      für die Selbstverständlichkeit, mit der ihr uns aufgenommen habt,

Ø      für das viele Geld, das ihr ausgegeben habt für unsere Versorgung mit Nahrung und Nachtlager, und oft auch für die Reisekosten,

Ø      vor allem aber für die nicht messbaren, persönlichen Begegnungen, für Zuwendung und Meinungsstreit und für so manche persönliche Freundschaft, die in dieser Zeit hat wachsen können.

Der AKH als selige Braut, so sind wir uns wohl manchmal vorgekommen, wenn wieder ein Papier erstellt, wenn wieder eine neue Aufgabe formuliert und angegangen worden ist. Aber zur Ehe, zur Verschmelzung beider Kreise, ist es nicht gekommen. Auch hier ist es wie in jeder guten Partnerschaft: Wir bleiben Verschiedene – und manchmal tut das auch richtig weh. Dass wir gerade in den so drängenden Themen, ob nun unter der Überschrift „Eigentum“ oder „Arbeit“, immer wieder an dem gleichen Punkt scheiterten, ist auch für mich, der ich mich da auch wegen persönlicher Betroffenheit  immer rausgehalten habe, eine schmerzliche Erfahrung, gerade weil ich sie nicht verstehe.

Konsens zwischen uns scheinen mir zwei Pole zu sein:

Ø      Markt muss sein      und

Ø      Markt braucht Regeln.

Strittig scheint mir dagegen zu sein, wie viel Opfer man den Starken, den Eliten abverlangen darf, damit ihre Initiative, Kreativität und Einsatzbereitschaft erhalten bleibt. Aber Opfer müssen sein, gerecht und solidarisch für alle, damit das Gemeinwesen leben kann. In diesem Dissens geben wir sehr korrekt ein Bild unserer Gesellschaft ab, die nicht in der Lage scheint, ihre je verschiedenen Erfahrungen und Erwartungen zu vereinen und zusammen zu denken.

Die Braut hat also ihren Geliebten gefunden, aber niemand hat je dem anderen die Ehe angetragen – auch in dieser Erfahrung sind wir Kinder unserer Zeit, die das Single-Leben so sehr lieben und festen Bindungen eher skeptisch gegenüber stehen. An dieser Skepsis gegenüber festen Bindungen scheint wohl jetzt auch der BK sein Ende zu finden. Wer will sich schon fest binden in der Gewissheit, ständig die Schritte der Vergeblichkeit tun zu sollen und zu müssen. Die Zeit der freien Arbeitskreise scheint abzulaufen. Und so lebt auch der AKH am Sarge des Geliebten in der Gewissheit, bald in die Grube fahren zu müssen; hinsiechend an der gleichen Krankheit. Vielleicht hat sich aber auch nur der Arbeitsstil mit den Generationen verändert. „Ratschläge“ und „Netzwerke“ lösen uns ab. Und so können sie und wir uns natürlich auch als ein Teil der Saat empfinden, deren Ernte erst spätere Generationen einfahren werden.

Wir vom AKH und ich ganz persönlich wünschen Ihnen einen frohen und unverkrampften Rückblick auf den zurückgelegten Weg und weiterhin die unzerstörbare Hoffnung, dass keine Mühe vergebens ist und keine Saat ohne Ernte bleiben wird.

Nochmals für alles : Herzlichen Dank und „Vergelt’s Gott“!

                                                                                                                      Helmut Hiller