Entsorgung von „Restmüll“ nach dem ökumenischen Kirchentag.

Nach jeder Großveranstaltung gibt es viel Müll, mancher ist verwertbar, mancher anscheinend nicht. Zu diesem Restmüll gehören nach dem Kirchentag die von zwei katholischen Bischöfen eingeleiteten Sanktionen gegen die beiden katholischen Geistlichen, die in Funktionen an der Abendmahls- bzw. Eucharistiefeier mit ökumenischer Gastfreundschaft teilgenommen hatten.

Der AKH ist Unterstützer der Kirchenvolksbewegung, die zusammen mit der Evangelischen Gethsemanegemeinde zu den Gottesdiensten eingeladen hatte. Wir hatten uns nicht für diese offiziellen Feiern mit eucharistischer Gastfreundschaft ausgesprochen. Und zwar nicht, weil wir gegen diese Gastfreundschaft wären, sondern weil wir diese unter uns seit langem gängige Praxis nicht beim Ökumenischen Kirchentag hervorheben wollten, nachdem sich die Veranstalter - in Anpassung an den offiziellen kath. Partner - dagegen ausgesprochen hatten. Wir wollten den Streit nicht wieder an die den Kopf schüttelnde Öffentlichkeit zerren, sondern lieber auch beim Kirchentag einfach selbstverständlich praktizieren, was viele ohnehin tun.

Es gibt natürlich auch gute Gründe, sich für die Art der Öffentlichkeit, wie sie die Kirchenvolksbewegung und die Gethsemanegemeinde gewählt hat, zu entscheiden und wir haben diese auch respektiert.

In Anbetracht aller stattgefundenen Einigungsgespräche und der beim Kirchentag nochmals feierlich verabschiedeten „Charta Oekumenica" gibt es keinen guten Grund, die Sanktionen der Bischöfe gegen die mitwirkenden Geistlichen zu verstehen, sondern nur böse Vermutungen über das Wirken wohlbekannter „Sachzwänge".

Bei wirklich gefährlichen Obrigkeiten gäbe es Pflichten, aus Gründen der Solidarität Zeugnis zu geben, und nun zu sagen: „Wir machen es ja auch so und schon lange so“.

Und manche hat der Vorgang so empört, dass sie neuerdings aus der kath. Kirche ausgetreten sind oder sich selbst vom „Amt" suspendieren wollten. – Gott sei Dank gehören aber Kirchenleitungen nicht mehr zu den „gefährlichen“ Obrigkeiten“. Sofern diese selbst es noch sein wollen, mussten sie nach dieser Geschichte nur wieder merken, dass sie nicht mehr zu den gefährlichen, sondern nur noch zu den nicht beachteten Obrigkeiten gehören. Beachtet wird offenbar eine kirchliche Weisung nur noch als prophetische Weisung; also als Satz der Hoffnung für die Vielen, die schweigen (müssen). Am deutlichsten ist dies zu sehen an der Beachtung des Papstes, wenn er solche Worte spricht.

Immerhin wollten wir als AKH dazu etwas sagen, aber wohin und vor wem? Es gibt schon allzuviele Presseerklärungen. Also bleibt uns nur unser Briefkreis, darauf vertrauend, dass mancher Leser „unsere Erfahrungen" persönlich weiter trägt und vertritt. Unsere Erfahrungen sind die Erfahrungen einer Generation, die begonnen hat mit einem Leben für die Kirche (womit auch wir anfangs nur die röm.-katholische meinten) und die nun darüber staunt, dass man sich am Ende fast außerhalb dieser Kirche fühlt, und sich trotzdem weiter dafür verantwortlich weiß.

Das hat Fulbert Steffensky schon 1999 beim Hamburger Kirchentag, bezogen auf unser Thema, so treffend beschrieben, dass wir meinen, besser ihn auch für uns zu Worte kommen zu lassen.

Eine kleine Ergänzung aus östlicher Sicht sei angefügt. Offensichtlich waren wir auf Grund anderer politischer Rahmenbedingungen dabei, als Kirchen gemeinsam ein neues Verhalten zu uns selbst und zur uns umgebenden Gesellschaft zu entwickeln. Dieses neue Selbstverständnis war noch nicht ausgereift und wäre wert gewesen, über 1989 hinaus erhalten und mit den westlich geprägten Partnerkirchen gemeinsam weiter entwickelt zu werden. (z.B. in Sachen Staat-Kirche-Verhältnis, Kirchensteuer, Militärseelsorge, Präsens in der Schule usw.). Wie notwendig das gewesen wäre, zeigt die augenblickliche gesellschaftliche Krise, in welche die Kirchen als zu sehr zum System gehörend mit hineingeraten sind.

Bezogen auf den „Restmüll“ des im Ansatz trotz alledem wichtigen ökumenischen Kirchentages heißt dies, dass dieser „Rest“ wohl nicht entstanden wäre, wenn wir als Kirchen weiter hätten leben können, was wir im Osten immer mehr gelernt hatten zu tun: gemeinsam zu leben; also von der „Begabung des anderen", wie Steffensky sagt, zu profitieren, und deshalb auch gemeinsam an dem einen Tisch zu essen, der einmal von dem einen und dann von dem anderen bereitet und gedeutet wird, ganz ohne Aufregung, aber mit viel Anregung.

                                                                                                                                 Josef Göbel