Hat die Kirchensteuer eine Zukunft?
An dieser Tagung nahm dankenswerterweise Josef Göbel nicht nur aus
Kostengründen, weil er in Berlin wohnt, sondern vor allem wegen eines neuen
„Gesichtes“ und seiner Kompetenz teil.
Hier nun zunächst als Information Auszüge aus einem offiziellen
Protokoll dieser Tagung: „Kirchenmitgliedschaft
und Kirchensteuerpflicht müssen getrennt
werden. Die Kirche tauft ihre
Mitglieder auf Jesus Christus, nicht auf die Kirchensteuer. Diese Aussage steht
in der Tradition Dietrich Bonhoeffers und drückt die nicht unberechtigte Angst
aus, die Kirche könne sich auf eine Art Zwangsgemeinschaft reduzieren, der ihr
eigentliches christliches Glaubensbekenntnis abhanden gekommen ist. Hier setzte
schon 2002 der Reformvorschlag des dbv „Abschied von der Kirchensteuer“ an, die
Möglichkeiten für eine verfassungskonforme Umbildung bzw. Ergänzung der
tradierten Kirchensteuer auslotend.2). … Die Bandbreite der
Meinungen der etwa zwanzig AG-Mitglieder war erwartungsgemäß groß. Sie reichte
von der Forderung nach gänzlicher Abschaffung der Kirchensteuer bis zur Verteidigung ihres Fortbestands als
einem bewährten Mittel zur Finanzierung kirchlicher Angelegenheiten. Weder
konnte eine Annäherung der unterschiedlichen Positionen erreicht werden, noch
war eine Verständigung auf gemeinsamen Grundlagen möglich. Darüber jedenfalls
war man sich am Ende einig, dass das gegenwärtige Kirchensteuersystem nicht
ausreicht, um den Herausforderungen der Zukunft in der Kirche gerecht zu
werden. Der Weg zu einem konsensfähigen Modell, wie es mehrfach eingefordert
wurde, scheint damit freilich erst betreten worden zu sein; der größte Teil der
Wegstrecke wird in Zukunft noch bewältigt werden müssen.“
Namens des AKH-Sprecherkreises verwies J.
Göbel auf unsere weiterhin als Fernziel zu betrachtenden Thesen vom 13.11.2004
„Abschied von der Kirchensteuer – Plädoyer
für eine evangeliumsgemäße und angemessene Kirchenabgabe“3),
schlug aber vor, unter den z.Z. bestehenden Bedingungen in beiden großen
Kirchen und übrigens auch in der Parteienlandschaft unter der richtigeren und
unverfänglicheren Überschrift „Kirchenfinanzierung“
an diesem brennenden Problem weiterhin zu arbeiten, was mehrheitlich sehr
positiv von der Versammlung aufgegriffen wurde. Er sprach sich außerdem für die
beiden Elemente (Säulen) des Reformmodells des dbv aus, wonach erstens „der staatliche Zwangseinzug der
Kirchensteuer beendet und die Kirchensteuer von den Kirchen selbst eingezogen
wird“ und zweitens „der Staat mit
einem Bürgerguthaben eine neue Form
der Gemeinwohlfinanzierung, die nicht nur den Kirchen, sondern allen
kulturellen und gemeinnützigen Einrichtungen in der Gesellschaft zugute kommen
soll, entwickelt“4), wodurch eine z.Z. nur schwer zu vermittelnde
und durchzusetzende Steuerart vermieden werden könnte. Statt Bürgerguthaben solle man aber besser von
Bürgerhaushalt in Anlehnung an den
von den Sozialbewegungen angestrebten Bürgerinvestitionshaushalt
sprechen. Dabei soll von den Bürgern ein Anteil des Einkommensteuervolumens
hinsichtlich der Verwendung selbst bestimmt werden, was übrigens in der
Brasilianischen Stadt Porto Allegre schon erfolgreich praktiziert wird. Auch
dieser Vorschlag fand in der anschließenden Nachmittagssitzung und in der
Abschlussveranstaltung am Sonntag Beachtung, da damit einerseits mehr
Demokratie in Haushaltsfragen ins Bewusstsein gehoben werde, weil dann
wenigstens ein Teil der Steuern von den Bürgern direkt bestimmt werde, und andererseits
dadurch auch die Privilegierung der Kirchen beim Steuereinzug wegfiele, wenn der Staatsbürger einen noch
festzulegenden Anteil vom Bürgerhaushalt
nach staatlich vorgelegter Empfängerliste widmen könne.
Herbert
Hahn
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2)Karl Martin (Hrsg.) „Abschied von der
Kirchensteuer“, zu beziehen bei Publik Forum Verlagsgesellschaft, PS 2010 in
61410 Oberursel. Bestell-Nr. 2681, 12,80 €
3)Veröffentlicht in unserem Rundbrief vom August
2002., ebenso erhältlich bei H. Hahn
4)Karl Martin, a.a.O, Seite 89