Karl Herbst (87) -
Theologe und Priester - starb am 17. Mai d.J. in Düsseldorf.
Nach Kriegsdienst als Sanitäter und Kriegsgefangenschaft war er als Seelsorger in der damaligen DDR tätig, u.a. in Camburg, Wechselburg und Rötha.- Über diese konkreten Ortsgebundenheiten hinaus erregte er in den 50er/60er Jahren DDR-weit Aufmerksamkeit durch die Initiierung einer „Oekumenischen Briefgemeinschaft“ mit den ev. Pfarrern Lötz und Loske.
Dass er 7 Jahre lang als Dozent für Dogmatik (!) an einem Caritas-Ausbildungsseminar wirkte, hat er selbst öfter als eine delikate Gegebenheit auf seinem Lebensweg bezeichnet. Geriet er doch immer mehr weg vom dogmatischen Festhalten am „depositum fidei“, den ein für alle mal festgeschriebenen Glaubens-„Sätzen“.
Aus dem Dogmatikdozent wurde ein Spurensucher hin zum „vorkirchlichen“ Ursprung, hin zum wirklichen Jesus von Nazareth („Jeshua Ben Miriam“).
Aus den Texten des „Neuen Testamentes“ suchte er die authentische, von kirchlich vorgeprägter Christologie noch nicht „bearbeitete“ Gestalt des historischen Jesus von Nazareth herauszufiltern. Den Filter dafür fand Karl Herbst weniger in der ohnehin nicht sehr erfolgreichen historischen-kritischen Vorgehensweise. Er zog vielmehr die Schlussfolgerung aus dem, was Jesus - zunächst echt erschüttert durch die Gerichtspredigt des Johannes - nach seinem Untertauchen im Jordan zutiefst erfuhr: Dass der „Atem“ (schlicht „to pneuma“ ohne „hagion“) des ganz anderen, nämlich gratis liebenden, mütterlich-gütigen Vaters „in ihn“ kam (Mk 1,9-11). Jesu ganze Botschaft in Wort und Tat war von dieser „metanoia“, diesem radikalen, wurzelhaften Umdenken beseelt.
Nur Texte, die dies zu erkennen geben, sind für Herbst authentisch „jesuanisch“, weil sie die historische Gestalt des einfachen Mannes aus Nazareth nicht göttlich überhöhen. Solche Textauslese auch für Leser plausibel zu machen, die nicht durch die Schule theologischer Reflexion gegangen sind, ist das Verdienst seines Standardwerkes „Was wollte Jesus selbst? - Vorkirchliche Jesusworte“ Bd. I u. II, (1979 im Patmos-Verlag). Ein Jahrzehnt später erschien im Walter-Verlag (1989) das ebenso bemerkenswerte Buch „Der wirkliche Jesus“. Darin systematisiert er gleichsam die Befunde des erstgenannten Buches.
Bevor es zu diesen Publikationen kam, erörterte Herbst seine „Spurensuche“ in Gesprächskreisen mit anderen Spurensuchern, Theologen und „Laien“. Die damaligen Teilnehmerinnen und Teilnehmer danken ihm bis heute die Entdeckung einer neuen, wahrhaftigen und deshalb befreienden Weise, Glauben als Suchweg zu verinnerlichen.
Auf diesem Weg erwies sich Karl Herbst selbst einer kompromisslosen Wahrhaftigkeit verpflichtet, wenn er z.B. Stellung zu kirchenamtlichen Schreiben und Anordnungen bezog. Als er DDR-weit den Beschluss seines Pfarrgemeinderates bekannt gab, geschiedene Wiederverheiratete zur Kommunion in der Gemeinde einzuladen und alle Gemeinden, die es ebenso hielten, aufforderte, dies ebenfalls bekannt zu geben, folgte prompt seine Versetzung in den Ruhestand mit dem Verbot, sein Amt auszuüben.
Als „Pfarrer in Ruhe“ wirkte er durch Gesprächs- und Briefkreise in Düsseldorf weiter.
In manchen seiner Äußerungen konnten sich einige Weggefährten nicht mehr so wiederfinden, wie zu Zeiten der Gesprächskreise in der damaligen DDR und wie in seinen o.g. ersten beiden Büchern. Auch seine Ausdrucksformen in seinem 1992 im Econ-Verlag erschienenen dritten Buch „Kriminalfall Golgotha - Der Vatikan, das Turiner Grabtuch und der wirkliche Jesus“ war nicht für jeden seiner Freunde nachvollziehbar.
Die letzten Lebensjahre des Karl Herbst waren geprägt von seinem Ringen zwischen dem Einverstandensein mit dem Sterben und dem Weiterlebenwollen, um möglicht „weltweit“ Kunde geben zu können vom gütigen Vater des „Jeshua Ben Miriam“.
Das Grab von Karl Herbst befindet sich auf dem Begräbnisplatz der Oratorianer in Leipzig-Plagwitz.
Klaus Winkelmann