Aktionskreis Halle
Vom
Kirchensteuer-Zwangseinzug zur freiwilligen Kirchenabgabe
- Päpstlicher Rat für die
Gesetzestexte (PCI) gibt freies
Geleit –
1. |
Die Kirchensteuerpraxis im wiedervereinigten
Deutschland |
1.1. |
Die in beiden großen christlichen
Kirchen zur Zeit (noch) übliche Kirchensteuer geht auf die Weimarer
Verfassung (WV) vom 11. August 1919 Artikel 135 – 141 zurück. Sie wurden mit
Artikel 140 wortwörtlich in das Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik
Deutschland vom 23. Mai 1949 übernommen und in Staats- bzw.
Länder-Kirchen-Verträgen konkretisiert. In der ersten Verfassung der DDR
vom 07.10.1949 waren noch in den
Artikeln 41 – 48 unter der Überschrift „Religion und
Religionsgemeinschaften“ die Rechte und Pflichten ähnlich gewährleistet wie
in der WV. So hieß es in Artikel
43: „Die Religionsgemeinschaften bleiben Körperschaften des öffentlichen
Rechts. … Die öffentlich - rechtlichen Religionsgemeinschaften sind
berechtigt, von ihren Mitgliedern Steuern auf Grund der staatlichen
Steuerlisten nach Maßgabe der allgemeinen Bestimmungen zu erheben.“ Und im Artikel
47: „Wer aus einer Religionsgemeinschaft öffentlichen Rechts mit bürgerlicher
Wirkung austreten will, hat den Austritt bei Gericht zu erklären oder als
Einzelerklärung in öffentlich beglaubigter Form einzueichen.“ In der zweiten
Verfassung der DDR vom 06.04.1968 waren im Artikel 20/1 zwar „Gewissens- und
Glaubensfreiheit“ genannt, die o. g. Kirchenartikel aber auf den einen
Artikel 39 reduziert worden: 1. „Jeder Bürger der Deutschen Demokratischen
Republik hat das Recht, sich zu einem religiösen Glauben zu bekennen und
religiöse Handlungen auszuüben. 2. Die Kirchen und anderen
Religionsgemeinschaften ordnen ihre Angelegenheiten und üben ihre Tätigkeiten
aus in Übereinstimmung mit der Verfassung und den gesetzlichen Bestimmungen
der Deutschen demokratischen Republik. Näheres kann durch Vereinbarungen
geregelt werden.“ Damit war die Trennung von Staat und Kirche auch rechtlich
vollzogen. In der Praxis bedeutete dies für
die Kirchensteuerfrage: Beide großen Kirchen konnten weiterhin von ihren
Gemeindemitgliedern , allerdings ohne staatliche Steuerlisten als Grundlage
benutzen zu können, über ihre Pfarrämter oder weiter bestehende zentrale
kirchliche Kirchensteuerämter ein Kirchgeld, auch Kirchensteuer genannt,
einziehen. Die Kirchenmitglieder ordneten sich selbst nach ihrem Gehalt oder
Lohn nach einer Kirchensteuertabelle ein und erhielten eine entsprechende
Zahlungsaufforderung, die aber nicht einklagbar war. Nach kontroversen Debatten im Bund
der evangelischen Kirchen in der DDR - in der Berliner Bischofkonferenz der
katholischen Kirche war es selbstverständlich geräuschloser abgegangen –
wurde das westdeutsche Kirchensteuersystem drei Tage vor Inkrafttreten des
Vertrages über die Herstellung der Einheit Deutschlands
(Einigungsvertrag) noch in der
DDR zusammen mit der EKD eingeführt und mit ihr automatisch übernommen
(Walter Romberg, Die Einführung der Kirchensteuer in den neuen
Bundesländern, in: Abschied von
der Kirchensteuer, Januar 2002 by Publik Forum, Oberursel, Seite 55). |
1.2. |
Die dt. Kirchensteuerpraxis ist seit dieser Zeit vermehrt
in die Diskussion gekommen und zum Ärgernis geworden, weil es sich evangeliumswidrig um eine Steuer handelt, weil sie diskussionslos von den Bistümern und Landeskichen in
Höhe von 8-10% von der Einkommens- und Gewerbesteuer monatlich erhoben wird, weil sie von den Finanzämtern zwangsweise gegen eine Gebühr
von 2 – 4% der Gesamtsumme (im Jahr 1997 waren dies rd. 700.000,- DM von
beiden Kirchen, wobei die Arbeitgeber ohne Ausnahme diese Steuer als ihnen
auferlegte staatsbürgerliche Pflicht kostenlos berechnen, einbehalten und
abführen müssen, wodurch den Kirchen wiederum Kosten in etwa der gleichen
Höhe erspart bleiben, vgl. Carsten Frerk, Finanzen und Vermögen der Kirchen
in Deutschland, Alibri Verlag Aschaffenburg 2002) eingezogen werden, weil sie in eine bei der DBK eigens dafür eingerichtete
Zentralstelle insgesamt eingewiesen und von hier aus ohne wirklich nach
demokratischen Vorgaben gewählte und transparent handelnde Kirchensteuerräte
von Oben nach Unten verteilt wird, weil ein katholischer kirchensteuerveranlagter Christ, der,
aus welchen Gründen auch immer, diese Steuer sich nicht mehr einfach von
einer staatlichen Stelle abziehen lassen möchte, selbst dann wenn er sogar
bereit ist, die gleiche monatliche Summe an seine Ortsgemeinde oder seine
Diözese zu zahlen, vor einer staatlichen Stelle diese Zahlungsverweigerung in
der Form einer Kirchenaustrittserklärung vornehmen muss, und weil dieser Schritt, der der zuständigen kirchlichen Stelle von
den staatlichen Stellen gemeldet wird, automatisch und zwangsläufig die
entsprechenden Kirchenstrafen (Verweigerung der Mahlgemeinschaft, der
kirchlichen Eheschließung, der Kindertaufe und eines christlichen Begräbnisses)
nach sich zieht wie bei einem der Apostasie, der Häresie und des Schismas überführtem
Katholiken, und weil
„keine der heutigen
Möglichkeiten der Finanzierung der Kirche so weit vom Neuen Testament [und
der Väterzeit] entfernt ist, wie unser System der Kirchensteuer.“ ( Ulrich Luz, Ekklesiologie und
Gelder der Kirche – Neutestamentliche Perspektiven für heute – in: Evang.
Theol. 61. Jg., Heft 1 S. 6 – 18 ) |
2. |
Die neue Situation nach dem
Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte |
2.1. |
Mit Datum vom 13. März 2006 erging vom Päpstlichen Rat für die Gesetzestexte
(Consilium de Legum Textibus Interpretandis - PCLT) ein Schreiben an den
Vorsitzenden der katholischen Bischofskonferenz der USA mit ausdrücklicher
Approbation durch Papst Benedikt XVI. und seiner Verfügung, dass es an alle
Vorsitzenden der Bischofskonferenzen geschickt werden solle. In diesem Schreiben wird
ihnen mitgeteilt: „1. Zum Verlassen der Katholischen Kirche ist, damit ein
gültiger actus formalis defectionis ab Ecclesia catholica (formaler Akt des
Abfalls von der katholischen Kirche) gegeben ist und die damit verbundenen
Ausnahmen von den oben erwähnten Canones anwendbar werden, notwendig, dass
konkret gegeben sind: a)
die
innere Entscheidung, die Katholische Kirche zu verlassen; b)
die
Umsetzung und eine äußere Bekundung dieser Entscheidung und c)
die
Entgegennahme dieser Entscheidung durch die zuständige kirchliche Autorität. 2. Der Gegenstand dieses Willensaktes muss den Bruch der
Bande der communio (Gemeinschaft) beinhalten – Glaube, Sakramente und
pastorale Leitung -, die es den Gläubigen gestatten, ein Leben der Gnade
innerhalb der Kirche zu empfangen. Das bedeutet, dass der formale Akt des
Abfalls mehr als einen rechtlich-verwaltungsmäßigen Charakter haben muss,
(die Entfernung des Namens aus der Liste der Kirchenmitglieder, die bei
staatlichen Behörden geführt wird, um gewisse weltliche Konsequenzen daraus
abzuleiten), sondern er muss eine wirkliche Trennung von den konstitutiven
Elementen des Lebens der Kirche sein: er setzt daher einen Akt der Apostasie, der Häresie oder des Schismas voraus. 3. Der rechtlich-verwaltungsmäßige Akt eines Austritts aus
der Kirche konstituiert nicht per se einen formalen Akt des Abfalls, wie er vom Codex
verstanden wird, denn es ist möglich, dass dennoch der Wille vorhanden sein
könnte, in der Gemeinschaft des Glaubens zu bleiben. Andererseits stellen Häresie (ob formal oder materiell),
Schisma und Apostasie nicht aus sich heraus einen formalen Akt des Abfalls
dar, wenn sie nicht äußerlich konkretisiert und der kirchlichen Autorität in
der vorgeschriebenen Art bekannt
gemacht werden. 4. … 5. Es ist zusätzlich erforderlich,
dass dieser Akt von der betreffenden Person in schriftlicher Form der
zuständigen kirchlichen Autorität bekannt gemacht wird: dem Ordinarius oder
dem eigenen Pfarrer, die allein eine Entscheidung darüber treffen können, ob
ein Willensakt, wie in Nr. 2 oben beschrieben, gegeben ist oder nicht.
Folglich konstituiert nur das Zusammentreffen der zwei Elemente – des
theologischen Inhaltes des innerlich vollzogenen Aktes und seiner Bekundung
in der oben definierten Weise – den actus formalis defectionis ab Ecclesia
catholica mit den
entsprechenden kanonischen Strafen (vgl. can. 1364, § 1).“ Damit ist klar und für jedermann deutlich gesagt, dass ein Kirchenaustritt
vor staatlichen Stellen kein Kirchenaustritt ist. |
2.2. |
Trotz dieser neuen Vorgabe halten
die katholischen Bischöfe in Deutschland an ihrer bisherigen Praxis fest.
Jeder wird automatisch exkommuniziert, der seinen Austritt aus der Kirche vor
dem Amtsgericht oder dem Standesamt erklärt. Das Vatikan-Schreiben vom 13.
März berühre nicht das geltende Kirchenrecht in Deutschland, hat der
DBK-Vorsitzende Karl Lehmann Ende Mai erklärt. „Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) verstößt nach Ansicht
des katholischen Kirchenrechtlers Georg Bier gegen die jüngste Anordnung des
Vatikans zum Umgang mit Kirchenaustritten. Der Päpstliche Rat für die Gesetzestexte habe die ‚Position der deutschen
Bischöfe nachhaltig erschüttert’, betonte Prof. Bier in der Monatszeitschrift
‚Herder Korrespondenz’ (Juli 06). Ein bei den Behörden beantragter Kirchenaustritt
habe nach der neuen Vorgabe des Vatikans keine automatische Exkommunikation
zur Folge. Diese Position sei ‚kirchenrechtlich problematischer denn je’,
kritisierte Prof. Bier von der
Universität Freiburg. ‚Möglicherweise fürchten die deutschen Bischöfe:
Wenn der Kirchenaustritt nicht mehr mit schweren Strafen bedroht ist, könnte
die Hemmschwelle für einen solchen Schritt sinken’. Es sei aber problematisch,
aus Sorge um einen Rückgang des Kirchensteueraufkommens zu
‚nicht-rechtskonformen Mitteln’ zu greifen“(Freiburg/dpa vom 04.07.06). Und in seinem Aufsatz “ (http://www.uni-tuebingen.de/uni/ukk/nomokanon/aufsaetze/008.htm)
kommt der Tübinger Kirchenrechtler Prof. Hartmut Zapp unter Pkt. 5, S. 14 ff.
zu der Feststellung: „Die für Körperschaftsaustrittserklärungen zuständige
staatliche Behörde ist zur kirchenrechtsverbindlichen Bewertung nicht in der
Lage. Nach geltendem Recht befinden sich daher die deutschen Bischöfe im
Ungehorsam gegenüber
der päpstlichen Autorität. … Die römische Auslegung der Defektionsklausel
wurde nach sorgfältiger Prüfung der theologischen Grundlagen durch die
Glaubenskongregation in der Vollversammlung des päpstlichen Rates
beschlossen, der durch mehrere Anfragen sensibilisiert war. Wer möchte
außerdem in Frage stellen, dass der approbierende Papst bestens mit der
staatskirchenrechtlichen Situation in Deutschland vertraut ist, auch mit dem
‚Problemfall’ Kirchensteuer?“ |
2.3. |
Der Vorsitzende des
Dietrich-Bonhoeffer-Vereins (dbv), Dr. Karl Martin, und der emeritierte
Hamburger Hauptpastor und nebenamtliche Professor für praktische Theologie,
Dr. Axel Denecke, begrüßen es, dass mit dem o.g. Schreiben des Päpstlichen Rates für die Gesetzestexte klar
gestellt wird, dass es nach katholischer Auffassung eine Kirchenmitgliedschaft
auch in solchen Fällen gibt, in denen jemand in staatlichen Listen nicht mehr
als Kirchenmitglied geführt werde. Für die evangelische Kirche, die aus einem
völlig anderen geschichtlichen Hintergrund komme, ergebe sich völliges
Neuland. Dass jemand der evangelischen Kirche angehöre, der vor staatlichen
Stellen aus ihr ausgetreten ist – mithin also ein vom Staat völlig
unabhängiges Mitgliedschaftsrecht wahrnehme -, dieser Gedanke müsse in der
evangelischen Kirche erst ganz neu entdeckt und entwickelt werden. Deshalb
vertrete der Initiativkreis des dbv „Kirche gestalten - Ordnung und Finanzierung von Kirche“
die Ansicht, dass eine solche Differenzierung des
Mitgliedschaftsverständnisses positiv zu bewerten sei, weil sich damit ganz
neue Handlungsspielräume und Reformchancen eröffneten (Pressemitteilung des
dbv vom 14.06.2006). |
3. |
Bisherige Stellungnahmen des
Aktionskreises Halle (AKH) zur Kirchensteuerproblematik |
3.1. |
Der Aktionskreis Halle (AKH) hat
zusammen mit dem Bensberger Kreis (BK) im September 2002 ein „Plädoyer für eine angemessene
Kirchenfinanzierung“ (Broschüre im Selbstverlag) herausgebracht, in dem unter Pkt. 4.1.
gesagt wird: „Der BK und der AKH
plädieren konsequenterweise dafür, dass das derzeitige deutsche
Kirchensteuersystem abgeschafft und durch die frühere kirchliche Finanzordnung,
die bis in die 50er Jahre in der Bundesrepublik und bis 1990 in der DDR
üblich war und bis zum heutigen Tag in Österreich üblich ist, schrittweise
ersetzt wird. Die Finanzierung der Kirchen und ihrer Aufgaben muss von
anderen Grundsätzen ausgehen. Das Grundgerüst für die finanzielle Ausstattung
der Kirchen kann in Zukunft nur ein Kirchenbeitrag sein, den grundsätzlich alle Mitglieder, unabhängig davon, ob
sie lohnsteuerpflichtig sind oder nicht, aufbringen sollten“. Nach der Selbstauflösung des BK im
September 2004 hat der AKH weiterhin regelmäßig im Initiativkreis
„Kirchensteuerreform“ des dbv als einzige katholische Gruppierung mitgearbeitet.
In Thesen zum „Abschied von der Kirchensteuer – Plädoyer für eine angemessene
und evangeliumsgemäße Kirchenabgabe“ votierte er für „eine strukturelle Rückbesinnung“ in Zwischenschritten,
mit denen die Kirchen von sich aus sofort zeichenhaft beginnen könnten (in:
„Verantwortung“ Nr. 32, Dez. 2003). |
3.2. |
Unter dem Eindruck des o g.
Schreibens des Päpstlichen RATES für die Gesetzestexte und in der Gewissheit, dass demnach eine
Kirchenaustrittserklärung wegen der Ablehnung der z. Z. üblichen
Kirchensteuerpraxis in Deutschland kein Kirchenaustritt ist, legt der AKH im nachstehenden
Punkt 4. eine
aktualisierte Fassung seiner in 3.1. genannten Thesen zum „Abschied von der
Kirchensteuer“ dem bisherigen Initiativkreis „Kirchensteuerreform“, der sich
auf seiner Tagung am 04.11.06 zum Thema „Kirchenaustritt“ folgerichtig zur Arbeitsgruppe
„Kirche gestalten - Ordnung und Finanzierung von Kirche“ umbenannt hat, als Diskussionsbeitrag vor. Der neue Name soll deutlich
machen, dass es in dieser Arbeitsgruppe keineswegs nur um finanztechnische
und organisatorische Fragen geht. Vielmehr stehen in Anknüpfung an die
Tradition der Bekennenden Kirche („Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe
die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung ihrem Belieben oder
dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen
überlassen“.) und an das Wirken Dietrich Bonhoeffers („Weil die Bekennende Kirche
im Kirchenkampf gelernt hat, dass von der Verkündigung des Evangeliums bis zu
den Kirchensteuern das Bekenntnis und dieses allein die Kirche bestimmen
muss, weil es in ihr keinen bekenntnisfreien, neutralen Raum gibt, stellt sie
jeden Gesprächspartner sofort vor die Bekenntnisfrage.“) theologische und
ekklesiologische Fragen (vgl. auch Ulrich Luz: Ekklesiologie und Gelder der
Kirche – Neutestamentliche Perspektiven für heute, in: Evang. Theol. 61. Jg.,
Heft 2, S. 6-18, Gütersloher Verlagshaus 2001) im Mittelpunkt. |
4. |
Freiwilliger Kirchenbeitrag –
Alternative zur Kirchensteuer mit staatlicher Hilfestellung - (ein Diskussionsbeitrag) Die von den deutschen Bischöfen
erneut aufgestellte altbekannte Behauptung, der staatliche Kirchenaustritt sei mindestens ein Abfall
(Apostasie) von der Kirche, erfülle den Straftatbestand des Schismas und habe
die Tatstrafe der Exkommunikation zur Folge, ist gemäß der o.g. päpstlich
approbierten Klarstellung des Schreibens des Päpstlichen
Rates für die Gesetzestexte kein Kirchenaustritt im theologischen und
kirchenrechtlichen Sinne. Die bloße Entfernung des Namens aus der Liste der
Kirchenmitglieder, die bei staatlichen Behörden geführt wird, um gewisse
„weltliche“ Konsequenzen daraus abzuleiten - ein nur
rechtlich-verwaltungsmäßiger Vorgang -, erfüllt also keineswegs einen Akt des
Abfalls, er muss vielmehr eine wirkliche Trennung von den konstitutiven
Elementen des Lebens der Kirche sein; er setzt daher einen Akt der Apostasie,
der Häresie oder des Schismas voraus. „Der Körper Christi ist keine
Körperschaft ö.R.“ (R. Solms), und dieser rätselhafte Ehrentitel, der der
Kirche vom Staat zugestanden wird, sollte nach Ansicht von R. Smend nur noch
für eine notwendige Zwischenzeit
von den Kirchen in Anspruch genommen werden. Bereits 1994 hat Papst Benedikt
XVI. als Kardinal Josef Ratzinger die deutsche Kirche gemahnt: „Ich denke,
dass die Kirche in Deutschland mit ihren großen Institutionen darüber
nachdenken muss, was geistig noch gedeckt und was bloß durch die Finanzen und
Organisationen fortbesteht, ohne wirklich geistigen Inhalt zu haben. Die
Kirche in Deutschland muss sich
fragen, von welchen Dingen sie sich freiwillig trennen kann, bevor sie ihr genommen
werden. Wenn diese dann – das lehrt die Geschichte – durch irgendwelche Ereignisse
der Kirche entrissen werden, führt das zwar zu äußerlicher Verarmung, aber
auch zu einer größeren geistigen
Lebendigkeit. Das Missverhältnis zwischen institutionellem Panzer und
geistiger Kraft scheint mir unbestreitbar… “ ( Interview in der Rheinischen
Post vom 14.10.1994). Die Kirchen müssen also von sich aus tätig werden, weil das das gegenwärtige Kirchensteuersystem, vor allem der Zwangseinzug und dessen automatische Folgen, unhaltbar geworden sind. Sie müssen deutliche Zeichen setzen und ernst damit machen, „ihre Hoffnung nicht auf Privilegien, die ihr von der staatlichen Autorität angeboten werden, zu setzen. Sie werden sogar auf die Ausübung von legitim erworbenen Rechten verzichten, wenn feststeht, dass durch deren Inanspruchnahme die Lauterkeit des Zeugnisses in Frage gestellt ist oder wenn veränderte Lebensverhältnisse eine andere Regelung erfordern“ (Pastoraldekret ‚Gaudium et spes’, 76). Folgende Zwischenschritte und Änderungen in den
Verhaltensweisen
sind ab sofort kirchenrechtlich abgedeckt uns somit machbar: |
4.1. |
Absage an jegliche
Zwangsmechanismen und Strafandrohungen der derzeitigen Kirchensteuerpraxis gegenüber Christinnen und
Christen, die ihre finanzielle Unterstützung für ihre Kirche nicht durch direkte
Einflussnahme und/oder Zwangsmaßnahmen des Staates eintreiben lassen wollen,
weil sie diese Vorgehensweise für menschenunwürdig halten. Sie müssen ab
sofort ihre angemessene Kirchenabgabe in der Orts- oder Wahlgemeinde abgeben können. Die Gemeinden werden von den
Diözesen und Landeskirchen ermächtigt, die Zahlungen gegen Nachweis
entgegenzunehmen, der zugleich noch für eine Übergangszeit als Spendenquittung
gelten könnte. Die Gemeinde sorgt ihrerseits dafür, dass die Namen der eine
freiwillige Kirchenabgabe entrichtenden Gemeindemitglieder aus den
staatlichen Mitgliederlisten gestrichen werden. Sie führen ca. 25 bis 30 %
der Kirchenabgabe an die Diözesankasse für zentrale Aufgaben ab. So kann eine
Verteilung von unten nach oben eingeübt werden. |
4.2. |
Zugleich wird mit dem Aufbau und der Pflege eines längst überfälligen
kirchlichen Meldewesens und einer Mitgliederverwaltung begonnen. Es kann außerdem mit
dem Aufbau einer effektiven kircheneigenen Erfassung der Kirchenabgabe auf
Gemeinde-, Dekanats-/Kirchenkreis- oder Stadtebene, anknüpfend an
Erfahrungen aus der Weimarer Zeit, in der BRD bis in die 50er Jahre, in der
ehemaligen DDR bis 1990 und in Österreich bis heute, begonnen werden. Der kircheneigene Einzug der freiwilligen Kirchenabgabe
muss übrigens im PC-Zeitalter nicht wesentlich teurer sein als der jetzige
Betrag in Höhe von 3-4 % des Gesamtkirchensteueraufkommens, den die Kirchen
für die staatliche Dienstleistung bezahlen. |
4.3. |
Durch demokratische Spielregeln eingerichtete paritätische Kirchensteuerräte in Pfarrgemeinderäten und/oder
Kirchenvorständen wird für Transparenz in der Verwaltung und Verwendung der
Kirchenabgabe Sorge getragen. Diese Gremien kümmern sich außerdem um das
behutsame Einwerben derselben ohne aufdringliches Mahn- oder gar Klageverfahren.
Gleiche Institutionen und
Verfahrensweisen treffen um der Einübung willen für die Dekanats-Kirchenkreis-,
Bistums- und Landeskirchenebene verpflichtend zu. |
4.4. |
Die freiwillige Kirchenabgabe kann gewidmet und gesplittet werden und auch bei einer Teilidentifizierung
mit der Kirche in der Höhe differenziert sein. |
4.5 |
Die Gemeindemitglieder sind gemäß
ihrer Zugehörigkeit zum Volk Gottes gehalten und zu motivieren, eine angemessene Kirchenabgabe zu entrichten. Was „angemessen“ meint, ist eine Orientierung
an der Höhe dessen, was in vergleichbaren Ländern West- und Mitteleuropas für
die christlichen Kirchen aufgebracht wird, d.h. nach H. Zapp (a.a.O, S.12)
etwa ein Zehntel dessen, was die jetzige Kirchensteuer ausmacht. |
4.6. |
Bei der schrittweisen Einführung
einer freiwilligen Kirchenabgabe muss darauf geachtet werden, dass alle Mitglieder des durch die Zeiten wandernden
Gottesvolkes sich für einen nach
ihren Möglichkeiten gestaffelten Beitrag für die Aufbringung der für
Verkündigung und Caritas notwendigen Mittel verantwortlich fühlen. Das würde
insgesamt zu einer Vereinheitlichung der Kirchenabgabe und auch zu deren
Erhöhung beitragen. |
4.7. |
Langfristig muss also auf Privilegien, wozu auch die
Steuervergünstigungen gehören, kirchlicherseits verzichtet werden, was aber
für die Kirchen nicht nur einen Verzicht bedeutet, sondern gleichzeitig auch
eine Entlastung von Leistungsansprüchen, deren Erfüllung nicht zum Kernbereich
des kirchlichen Auftrages gehört . |
4.8. |
Um nicht der Leichtfertigkeit
beschuldigt zu werden und um das Kirchen- und Staatsvolk nicht plötzlich vor
vollendete Tatsachen zu stellen,
um also auch Raum für Korrekturen und bessere Wegstrecken zu geben,
müssen folgende Gegebenheiten als Sicherungen auf begrenzte Zeiten weiterhin bestehen: - Für eine
festgelegte Übergangszeit müsste/sollte sich die freiwillige Kirchenabgabe in etwa
an der jetzigen Höhe der zu zahlenden Kirchensteuer orientieren. - Der staatliche
Einzug der
bisherigen Kirchensteuer muss noch für einen festgesetzten Zeit-
raum beibehalten werden, um einen
möglichen ungewollten finanziellen Absturz zu vermei-
den. Er sollte aber ohne Mahn- und Klageverfahren auskommen, den
verfassungsgemäßen
Personendatenschutzes wahren und die Kirchenaustrittserklärung vor
staatlichen Stellen
unterlassen. - Die über 2
Jahrhunderte seit dem
Reichsdeputationshauptschluß von 1802 währenden und
neuere Bundes- und
Länderdotationen
an die Kirchen gem. Staats- oder Länderstaats-
kirchenverträgen sollten auch noch weiter gewährt, zu einem festgelegten
Zeitpunkt aber eingestellt werden. |
4.9. |
Nach einem von den Kirchen selbst
eingeleiteten Wegfall der deutschen Kirchensteuer müssen sie in der
Unterhaltung ihrer zahlreichen zum deutschen Kulturerbe gehörenden
denkmalgeschützten Gebäude entsprechend unterstützt werden. Dies könnte
geschehen, durch die Einführung einer deutschen Kultursteuer für alle Bürger in Form eines „Bürgerguthabens“
bzw. eines „Bürgerkulturhaushaltes“, der aus einem Teil der Einkommens- und
Gewerbesteuer gebildet und auf eine breite Palette kulturell und sozial
engagierter Institutionen, Vereine und Gruppen einschließlich der Kirchen
gewidmet werden könnte (vgl. „Abschied von der Kirchensteuer – Plädoyer für
ein demokratisches Zukunftsmodell“, Herausgeber Karl Martin, Januar 2002, by
Publik Forum, Verlagsgesellschaft mbH, Oberursel, S. 9/10 und 82 ff.)
|
5. |
Als Alternativmodell zur deutschen Kirchensteuer könnte auch das
italienische Kirchen- und Kultursteuerverfahren, das sich seit Mitte der 80er
Jahre insgesamt bewährt hat, vom Vatikan abgesegnet worden ist und von H. Zapp als Vergleichsmodell für eine „angemessene“ Kirchenabgabe genannt wird (a.a.O. S. 11), in Betracht kommen (dazu ein informativer
Artikel in „Abschied von der Kirchensteuer“, a. a .O., S. 11-45). |
6. |
„Das Budget einer Kirche ist
ein sprechender Kommentar zum Evangelium, das sie verkündet“ (Ulrich Luz, a.a.O., S. 18) Kirchensteuern laufen Gefahr, zu einer Versorgungskirche beizutragen, zu der Anonymität
gehört. Freiwillige Abgaben an die Kirche dagegen sind Ausdruck einer Beteiligungskirche, die immer wieder Akte der
Identifikation mit ihr fordert. In den nächsten zwei Jahrzehnten
werden beide großen christlichen Kirchen mit dem jetzigen Steuersystem wohl
überleben können. Sie gehören zwar zum Leben, aber man braucht sie eigentlich
nicht. Auch ihnen aber ist als wanderndes und sich änderndes Volk Gottes hier
auf Erden verheißen, dass sie bis ans Ende der Zeiten überdauern werden. Sie
müssen aber wieder glaubwürdiger werden, indem sie sich entäußern wie ihr
Stifter, Zeichen des Heils für die Welt werden, sich verflüssigen und
verströmen, wie die unter der Tempelschwelle hervorbrechende Tempelquelle zum
Strom geworden war, zu einem glasklaren durchsichtigen schönen alles Land
erfrischenden Strom, der die Menschen endlich wieder zu erfreuen anfing (Ezechiel
47, 1-12). In solcher Mitverantwortung tun
christliche Kirchen ihren Dienst an der Gesellschaft für eine „Zukunft in
Solidarität und Gerechtigkeit“
(Wort des Rates der EKD und der DBK [258], Febr. 1997). |
Halle, den 14. Januar 2007 Sprecherkreis