Das Pastorale Zukunftsgespräch im Bistum Magdeburg (PZG)

Eine Zwischenbilanz

 

Die Kernsätze des PZG

  1. Der Hoffnung Raum geben; ein Leitbild
    Wir wagen den Aufbruch: Wir wollen eine Kirche sein, die sich nicht selbst genügt, sondern die allen Menschen Anteil an der Hoffnung gibt, die uns in Jesus Christus geschenkt ist. Seine Botschaft verheißt den Menschen „das Leben in Fülle“, auch dann, wenn die eigenen Möglichkeiten ausgeschöpft sind.
    Deshalb nehmen wir die Herausforderung an, in unserer Diasporasituation eine missionarische Kirche zu sein. Einladend, offen und dialogbereit gehen wir in die Zukunft.

2.         Das Leben bezeugen; Glaubenszeugnis im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir vollziehen einen Mentalitätswandel. Wir lassen den Pastoralstil der Diasporakirche, wie er sich bei uns entfaltet hat, hinter uns und nehmen die Herausforderung an, Kirche mit einer Mission zu sein.

3.         Das Leben feiern; Liturgie im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir gestalten Liturgie so, dass Menschen innerhalb und außer­halb der Kirche mit dem Geheimnis Gottes in Berührung kommen, daraus leben und miteinander feiern können.

4.         Dem Leben dienen; Diakonia im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: In unserem diakonischen Handeln soll unsere Mission erlebbar werden als Dienst Gottes am Leben der Menschen, wer immer sie sind. Dazu sind Einzelne, Gemeinden und Verbände im Bistum berufen.

5.         Ökumene – Als Kirchen gemeinsam auf dem Weg
Wir wagen den Aufbruch: Wir nehmen die Herausforderung zur Ökumene an. In einem engagierten Leben als katholische Christen suchen wir fair und deutlich nach Wegen der Einheit. Ökumenisches Denken und Handeln soll auf allen Ebenen kirchlichen Lebens als durchgängige Perspektive wirksam werden.

6.         Inmitten der Gesellschaft Kirche sein – Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir machen Öffentlichkeitsarbeit zu einem Schwerpunkt, damit unsere Hoffnung in der Gesellschaft stärker erkennbar wird.

7.         Strukturen und Zuständigkeiten im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir passen die überkommenen Strukturen den veränderten Gegebenheiten an und sorgen dafür, dass Strukturen und Zuständigkeiten den Aufgaben des Bistums entsprechen.

8.                  Dem Aufbruch dienen; Personen und ihre Kompetenzen im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Missionarische Pastoral braucht ein neues Denken, erweiterte Handlungskompetenzen und eine veränderte Kultur der Zusammenarbeit. Personal­management und Personalentwicklung im Bistum Magdeburg sollen die Beteiligten für den erhofften Aufbruch und die hierfür erforderliche neue Kultur der Zusammenarbeit motivieren und befähigen.

 

9.         Richtlinien zur Familienpastoral
Wir wagen den Aufbruch: Wir nehmen Familien in unserer kirchlichen Praxis neu und verstärkt in den Blick. Sie haben in der Pastoral eine zentrale Bedeutung. Sie sind Orte, an denen sich das Geheimnis des Lebens zeigt und Glaube wachsen kann. Daher sind sie keine isolierte Zielgruppe der Pastoral neben anderen. Familien sind erste Träger der Pastoral, denen wir deshalb verstärkt Begleitung und Unterstützung anbieten.
 Familien-, Kinder- und Jugendpastoral, ebenso wie Religionsunterricht und die Arbeit
der Schulen und Kindertagesstätten in kirchlicher Trägerschaft sind als Angebote zu konzipieren, welche die  Familien subsidiär unterstützen.

 

 

Die vorstehenden Kernsätze, die alle Zitate aus den Dokumenten der Bistumsversammlung sind, markieren den Abschluss einer wichtigen Etappe des PZG. Die Bistumsversammlung, bestehend aus allen auf Bistumsebene arbeitenden Räten, hat 8 Beschlusstexte beraten, die ersten Entwürfe teils massiv verändert, und nach 3. Lesung beschlossen. In letzter Minute sind dann noch „Richtlinien zur Familienpastoral“ formuliert und beschlossen worden.

Gerade dieser Vorgang zeigt deutlich, wie schwer eine eingefahrene Pastoralstruktur zu verändern ist. Wie viel schwerer wird erst der Weg sein, lang geübte und verinnerlichte Mentalitäten zu ändern, wie es oben unter 2. gefordert wird. Hier nicht abgedruckt, aber in der inzwischen erfolgten Veröffentlichung der Texte enthalten, ist der sogenannte „Themenspeicher“, in dem alles aus der Eingabephase landete, was auf Bistumsebene nicht beschlossen werden konnte, weil vor allem weltkirchliche Zuständigkeiten dem im Wege stehen.

Schon in unseren Eingaben haben wir befürchtet: „Auch und gerade in dem Bewusstsein, dass viele der hier zu behandelnden Probleme ohne Konsens in der Weltkirche nicht wirklich neu gelöst werden können, stellen wir unsere Optionen zur Diskussion...“ Genau über diesen Stand geht auch das PZG nicht hinaus. Das Bistum Magdeburg (wie jedes andere Bistum auch) ist ein Gefangener mit Fußfesseln, der den Aufbruch wagen will.

 

Die Bistumsversammlung hat ihre Arbeit getan, Bischof Leo Nowak hat die Beschlüsse quasi als letzte Amtshandlung vor seinem Ruhestand ratifiziert, aber das PZG ist noch nicht beendet. Von Anbeginn an war, neu in kirchlichen Vorgängen, eine Umsetzungs- und Kontrollphase festgelegt. Die Umsetzung soll nun soweit vorbereitet werden, dass der neu zu ernennende Bischof die Veränderungen „nur noch“ in Kraft zu setzen braucht. Vorerst ist vor allem an strukturelle Änderungen gedacht, wie etwa die Bildung von Gemeindeverbünden oder neu zu bildenden größeren Gemeinden und Umschichtungen in der Bistumsverwaltung. So logisch und vernünftig das alles klingen mag, der sogenannte Mentalitätswandel an Haupt und Gliedern wird seine Zeit brauchen.

 

Vor reichlich 30 Jahren ist der AKH mit 3 Optionen ins Leben getreten: Humanisierung und Demokratisierung aller gesellschaftlichen (also auch kirchlichen) Strukturen sowie Neuinterpretation des Glaubens in der Sprache und den Bildern, die den heute Lebenden zugänglich sind. Wenn man die Texte oder auch nur die Kernsätze hernimmt, sind das alles Schritte in die richtige Richtung. Aber es darf gefragt werden, ob die Schritte raumgreifend genug sind (s. Fußfesseln!), um die in einer sich ständig verändernden Gesellschaft lebenden Menschen auch wirklich zu erreichen.

Schon wenn man unsere Eingaben an das PZG (s. unseren Brief vom Herbst 2001) mit den beschlossenen Texten vergleicht, wird sehr schnell bewusst, wie schwer es fällt, die Sicherheit „römisch-katholischer“ Lehre und Tradition zu verlassen und sich in das „Neuland“ der heutigen Gesellschaft vorzuwagen.

Wenn ich die Texte hernehme, kommen mir immer wieder einige Sätze in den Sinn, die ich schon 1975 zum Ende der Dresdener Pastoralsynode öffentlich formuliert habe: „...Immer wieder sind die Papiere der Fachkommissionen angefragt worden: 'Wo ist die Absicherung in der Dogmatik, in der Moraltheologie, in der Ekklesiologie...?' ‚Wenn das hier so gesagt wird, muss man doch die Grundwerte und andere, auch wichtige Aussagen, mit erwähnen’.

Das Ergebnis ist, dass die Papiere, die wir verabschiedet haben, zwar alle nicht falsch, aber wohl auch nicht mehr lebendig sind. Mit allzu vielen Sicherungen haben wir den Zugang versperrt; in der Besorgnis, falsch verstanden zu werden, sind wir das Risiko eingegangen, nicht verstanden zu werden....“ Was bleibt ist die Hoffnung, dass der beschworene Aufbruch wirklich gelingt, dass nicht die, die als „Tiger“ gesprungen sind, als „Bettvorleger“ landen.

Betont werden müssen aber 2 Arten des Gewinns, der von den Bistumsversammlungen in jedem Fall bleibt. Mal abgesehen davon, dass nicht alle Delegierten der Versammlung nach den Spielregeln der Demokratie Sitz und Stimme erlangten, ist hier doch eine Übung in Demokratie gelungen, wie sie im römisch-katholischen Raum noch selten ist. Und wer dabei war, hat an sich selbst einen Lernprozess erfahren, wie er wohl nur gelingt, wenn man sich auf Meinungsstreit und Konsenssuche einlässt. Die Fortsetzung des Prozesses in Umsetzung und Kontrollphase hinein wird erweisen, ob die Schritte in Richtung Demokratisierung wirklich von Dauer sein werden.

 

                                                                                                                                 Helmut Hiller