2. Das
Leben bezeugen; Glaubenszeugnis im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir vollziehen einen
Mentalitätswandel. Wir lassen den Pastoralstil der Diasporakirche, wie er sich
bei uns entfaltet hat, hinter uns und nehmen die Herausforderung an, Kirche mit
einer Mission zu sein.
3. Das
Leben feiern; Liturgie im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir gestalten Liturgie
so, dass Menschen innerhalb und außerhalb der Kirche mit dem Geheimnis Gottes
in Berührung kommen, daraus leben und miteinander feiern können.
4. Dem
Leben dienen; Diakonia im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: In unserem diakonischen
Handeln soll unsere Mission erlebbar werden als Dienst Gottes am Leben der
Menschen, wer immer sie sind. Dazu sind Einzelne, Gemeinden und Verbände im
Bistum berufen.
5. Ökumene
– Als Kirchen gemeinsam auf dem Weg
Wir wagen den Aufbruch: Wir nehmen die
Herausforderung zur Ökumene an. In einem engagierten Leben als katholische
Christen suchen wir fair und deutlich nach Wegen der Einheit. Ökumenisches
Denken und Handeln soll auf allen Ebenen kirchlichen Lebens als durchgängige
Perspektive wirksam werden.
6. Inmitten
der Gesellschaft Kirche sein – Öffentlichkeitsarbeit im Bistum
Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir machen
Öffentlichkeitsarbeit zu einem Schwerpunkt, damit unsere Hoffnung in der
Gesellschaft stärker erkennbar wird.
7. Strukturen
und Zuständigkeiten im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Wir passen die
überkommenen Strukturen den veränderten Gegebenheiten an und sorgen dafür, dass
Strukturen und Zuständigkeiten den Aufgaben des Bistums entsprechen.
8.
Dem Aufbruch dienen; Personen und ihre Kompetenzen im Bistum Magdeburg
Wir wagen den Aufbruch: Missionarische Pastoral
braucht ein neues Denken, erweiterte Handlungskompetenzen und eine veränderte
Kultur der Zusammenarbeit. Personalmanagement und Personalentwicklung im
Bistum Magdeburg sollen die Beteiligten für den erhofften Aufbruch und die
hierfür erforderliche neue Kultur der Zusammenarbeit motivieren und befähigen.
9. Richtlinien
zur Familienpastoral
Wir wagen den Aufbruch: Wir nehmen
Familien in unserer kirchlichen Praxis neu und verstärkt in den Blick. Sie
haben in der Pastoral eine zentrale Bedeutung. Sie sind Orte, an denen sich das
Geheimnis des Lebens zeigt und Glaube wachsen kann. Daher sind sie keine
isolierte Zielgruppe der Pastoral neben anderen. Familien sind erste Träger der
Pastoral, denen wir deshalb verstärkt Begleitung und Unterstützung anbieten.
Familien-, Kinder- und Jugendpastoral,
ebenso wie Religionsunterricht und die Arbeit
der Schulen und Kindertagesstätten in kirchlicher Trägerschaft sind als
Angebote zu konzipieren, welche die
Familien subsidiär unterstützen.
Die
vorstehenden Kernsätze, die alle Zitate aus den Dokumenten der
Bistumsversammlung sind, markieren den Abschluss einer wichtigen Etappe des
PZG. Die Bistumsversammlung, bestehend aus allen auf Bistumsebene arbeitenden
Räten, hat 8 Beschlusstexte beraten, die ersten Entwürfe teils massiv
verändert, und nach 3. Lesung beschlossen. In letzter Minute sind dann noch
„Richtlinien zur Familienpastoral“ formuliert und beschlossen worden.
Gerade
dieser Vorgang zeigt deutlich, wie schwer eine eingefahrene Pastoralstruktur zu
verändern ist. Wie viel schwerer wird erst der Weg sein, lang geübte und verinnerlichte
Mentalitäten zu ändern, wie es oben unter 2. gefordert wird. Hier nicht abgedruckt,
aber in der inzwischen erfolgten Veröffentlichung der Texte enthalten, ist der
sogenannte „Themenspeicher“, in dem alles aus der Eingabephase landete, was auf
Bistumsebene nicht beschlossen werden konnte, weil vor allem weltkirchliche
Zuständigkeiten dem im Wege stehen.
Schon
in unseren Eingaben haben wir befürchtet: „Auch und gerade in dem Bewusstsein,
dass viele der hier zu behandelnden Probleme ohne Konsens in der Weltkirche
nicht wirklich neu gelöst werden können, stellen wir unsere Optionen zur Diskussion...“
Genau über diesen Stand geht auch das PZG nicht hinaus. Das Bistum Magdeburg
(wie jedes andere Bistum auch) ist ein Gefangener mit Fußfesseln, der den Aufbruch
wagen will.
Die
Bistumsversammlung hat ihre Arbeit getan, Bischof Leo Nowak hat die Beschlüsse
quasi als letzte Amtshandlung vor seinem Ruhestand ratifiziert, aber das PZG
ist noch nicht beendet. Von Anbeginn an war, neu in kirchlichen Vorgängen, eine
Umsetzungs- und Kontrollphase festgelegt. Die Umsetzung soll nun soweit
vorbereitet werden, dass der neu zu ernennende Bischof die Veränderungen „nur
noch“ in Kraft zu setzen braucht. Vorerst ist vor allem an strukturelle
Änderungen gedacht, wie etwa die Bildung von Gemeindeverbünden oder neu zu
bildenden größeren Gemeinden und Umschichtungen in der Bistumsverwaltung. So
logisch und vernünftig das alles klingen mag, der sogenannte Mentalitätswandel
an Haupt und Gliedern wird seine Zeit brauchen.
Vor reichlich 30 Jahren ist der AKH mit 3 Optionen ins Leben getreten: Humanisierung und Demokratisierung aller gesellschaftlichen (also auch kirchlichen) Strukturen sowie Neuinterpretation des Glaubens in der Sprache und den Bildern, die den heute Lebenden zugänglich sind. Wenn man die Texte oder auch nur die Kernsätze hernimmt, sind das alles Schritte in die richtige Richtung. Aber es darf gefragt werden, ob die Schritte raumgreifend genug sind (s. Fußfesseln!), um die in einer sich ständig verändernden Gesellschaft lebenden Menschen auch wirklich zu erreichen.
Schon wenn man unsere Eingaben an das PZG (s. unseren Brief vom Herbst 2001) mit den beschlossenen Texten vergleicht, wird sehr schnell bewusst, wie schwer es fällt, die Sicherheit „römisch-katholischer“ Lehre und Tradition zu verlassen und sich in das „Neuland“ der heutigen Gesellschaft vorzuwagen.
Wenn ich die Texte hernehme, kommen mir immer wieder einige Sätze in den Sinn, die ich schon 1975 zum Ende der Dresdener Pastoralsynode öffentlich formuliert habe: „...Immer wieder sind die Papiere der Fachkommissionen angefragt worden: 'Wo ist die Absicherung in der Dogmatik, in der Moraltheologie, in der Ekklesiologie...?' ‚Wenn das hier so gesagt wird, muss man doch die Grundwerte und andere, auch wichtige Aussagen, mit erwähnen’.
Das Ergebnis ist, dass die Papiere, die wir verabschiedet haben, zwar alle nicht falsch, aber wohl auch nicht mehr lebendig sind. Mit allzu vielen Sicherungen haben wir den Zugang versperrt; in der Besorgnis, falsch verstanden zu werden, sind wir das Risiko eingegangen, nicht verstanden zu werden....“ Was bleibt ist die Hoffnung, dass der beschworene Aufbruch wirklich gelingt, dass nicht die, die als „Tiger“ gesprungen sind, als „Bettvorleger“ landen.
Betont
werden müssen aber 2 Arten des Gewinns, der von den Bistumsversammlungen in
jedem Fall bleibt. Mal abgesehen davon, dass nicht alle Delegierten der Versammlung
nach den Spielregeln der Demokratie Sitz und Stimme erlangten, ist hier doch
eine Übung in Demokratie gelungen, wie sie im römisch-katholischen Raum noch
selten ist. Und wer dabei war, hat an sich selbst einen Lernprozess erfahren,
wie er wohl nur gelingt, wenn man sich auf Meinungsstreit und Konsenssuche
einlässt. Die Fortsetzung des Prozesses in Umsetzung und Kontrollphase hinein
wird erweisen, ob die Schritte in Richtung Demokratisierung wirklich von Dauer
sein werden.
Helmut Hiller