Und immer wieder LER

Man könnte meinen, wir hätten keine anderen Sorgen, als Religion in den Schulen zu verhindern. Das Gegenteil ist der Fall: Weil wir möchten, dass das Menschenrecht auf Religion allen zugute kommt, unterstützen wir für den ostdeutschen Raum weiter das Anliegen einer für alle Schüler gemeinsamen Wertevermittlung, zu der Religion gehört.

Der Alleinvertretungsanspruch der Kirchen in Sachen Religion ist zumindest in unserem Raum im Wortsinn kontraproduktiv. Man kann allenthalben beobachten, dass gerade deshalb wieder eine Abwehr gegen Religion einsetzt Und im Gegensatz dazu natürlich eine leidenschaftliche - unerleuchtete - Hinwendung zu Religion als letztem Rettungsanker, den die Herrschenden schon immer gern auswerfen lassen, damit sie ungehindert weiter der Katastrophe entgegenrudern können. Wegen der besseren Unübersichtlichkeit tun es auch schöne kleinteilige Rettungsanker, für jeden Kahn getrennt.

So hat gerade der anhaltische Kultusminister Harms für seinen Vorschlag, angesichts der Zahlen in Sachsen-Anhalt wenigstens interkonfessionellen Unterricht zu praktizieren, einen Rüffel aus kirchenamtlichen Kreisen bekommen, dass das ja gegen die ach so ehrwürdigen, weil gerade erst abgeschlossenen Staat-Kirche-Verträge verstoße.

Der lang erwartete Spruch des Bundesverfassungsgerichts in diesem Sommer zur Verfassungsrechtlichkeit von LER ist letztlich ausgefallen. Die Kläger - die Kirchen usw. - und die Beklagte - die Landesregierung Brandenburg - sollten sich, so der Piepston aus Karlsruhe, auf einen Konsens verständigen. Das Bundesverfassungsgericht bietet großzügig seine Unterstützung bei dem Vorgang an, als ob ein Verfassungsgericht zum Inhalt von Religionsunterricht heute etwas sagen könnte!

Gefragt und zuständig ist doch Karlsruhe, um über die beklagte Verfassungsrechtlichkeit zu entscheiden. Es ist schon stark, dass das Bundesverfassungsgericht angesichts des Vorwurfs gegen eine Landesregierung, schon seit 10 Jahren nicht verfassungsgemäß zu handeln, sich mit einem solchen Spruch an die Öffentlichkeit wagt. Das kann doch offenbar nur geschehen, weil die Rechtslage in Brandenburg für LER spricht, die Interessenlage der regierenden Mehrheit aber dagegen steht. Und die von der langen Wartezeit müdegewordene Öffentlichkeit merkt nichts davon.

In der ersten Eilfertigkeit hatte der zuständige Minister in Brandenburg, Reiche, nichts Schlechteres zu tun, als seinerseits Bereitschaft für die Konsensverhandlung zu signalisieren.

Allerdings wurde er inzwischen erinnert, dass er nicht mehr Kirchenangestellter ist, sondern Mandatsträger eines demokratischen Gremiums, das darüber gemeinsam befinden möchte, auf welche Weise auf den Piepston von Karlsruhe reagiert werden sollte.

Es bleibt also wieder einmal alles erfreulich offen - und das lässt hoffen.

Josef Göbel

zurück zum Archiv