"Gebt den Palästinensern einen Staat,

1998 Josef Goebels Erklärung zum „Dritten Weg" Ich zähle nicht zu den Aktivisten der 1.Stunde; ich bin ein Spätberufener aus dem letzten Drittel der AKH-Ära. Als 1991 der damalige Sprecherkreis den AKH auf dem Altar der deutschen Einheit opfern wollte, habe ich auf der eigens einberufenen Beerdigungsveranstaltung als eher Außenste- hender einen lautstarken Reanimationsversuch unternommen, der mich dann allerdings in Zugzwang brachte, dem wiederbelebten Patienten auch weiterhin mit Atemspenden zur Ver- fügung zu stehen. Das habe ich als Mitglied des Sprecherkreises nach besten Kräften getan, mußte allerdings bald erkennen, daß meine von Backbord einfallenden - also relativ linken - Winde einige Mitglieder des Sprecherkreises ein wenig, manche auch ein wenig mehr, aus der gemeinsamen Fahrtrichtung drängten. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mein Bedau- ern darüber auszudrücken. Uns fehlt jede Stimme – und wirklich moderne Musik zeichnet sich ja bekanntlich nicht gerade durch übertriebenes Harmoniebewußtsein aus. Vielleicht wird unser Chor wieder vollständig, wenn ich mich – und das habe ich nun vor – aus der ersten Reihe zurückziehe. Bevor ich das allerdings tue, muß ich noch ein paar Sätze über das Thema loswerden, dem ich mich in den vergangenen acht Jahren mit Engagement ge- widmet habe: Die fatale Rolle, die Wirtschaft, Geld und Eigentum bei den gegenwärtigen ge- sellschaftlichen Entwicklungen spielen. Keine Angst: ich werde kein Grundsatzreferat über unsere Vorstellungen von einem Dritten Weg zur Versöhnung von Marktwirtschaft und Gesellschaft halten. Es ist in den letzten Jahren viel – für einige aus unserem Kreis schon zu viel - davon die Rede gewesen. Eine – wie ich glaube – brauchbare Zusammenfassung können Sie jederzeit auf der letzten Seite unseres AKH-Faltblattes nachlesen. Ich möchte vielmehr – nachdem dieses Thema für uns/mich zu einem gewissen Ab- schluß gekommen ist – zu erläutern versuchen, warum ich/wir dieses Thema so sehr in den Mittelpunkt unserer Überlegungen gerückt haben und weshalb ich nach wie vor der Meinung bin, daß gerade der AKH dafür das geeignete Forum war. Es gibt Stimmen im Umfeld des AKH, die uns vorwerfen, ein solches Thema gehöre nicht in einen christlichen Kreis. Darum sollten sich Fachleute – Wirtschaftswissenschaftler, Politolo- gen, Politiker – kümmern. Es sei nicht unsere Aufgabe, alternative Gesellschafts- u/o Wirt- schaftsmodelle zu diskutieren oder gar zu entwickeln. Es sei mehr als merkwürdig, wenn ehemalige Dissidenten zu roten Bannerträgern mutierten. Die Bergpredigt des – in wirtschaftlichen und politischen Fragen ebenso wie wir laienhaften und also naiven – Wanderpredigers Jesus von Nazareth sei mehr oder weniger ein frommer Wusch gewesen, bestenfalls eine Aufforderung zu Umkehr und Buße an den einzelnen, also an jeden von uns als Individuum, nicht aber als visionärer Aufruf zur gesellschaftlichen Umgestaltung zu verstehen. Politik ließe sich damit schon gar nicht machen. Sack und Asche, der graue Kittel des Heiligen Franz von Assisi stünden uns eher an als die rote Armbinde des Berufsrevolutionärs. Solange wir nicht hingingen und unseren Mantel dem gäben, der keinen hat, damit der – nunmehr im Gegensatz zu uns - endlich einen habe, hätten wir nicht das Recht, mit Fingern auf die zu zeigen, welche unter der Last ihrer vielen Mäntel schier zusam- menbrechen. Kurzum: niemand gäbe uns das Recht, nach dem Balken im Auge des gesellschaftlichen Systems zu suchen, solange wir auch nur die Andeutung eines Splitters im eigenen Auge vermuten könnten. Ich sehe das anders ! Demokratisierung, Humanisierung, Neuinterpretation des Glaubens – mit diesen grund- sätzlichen Intentionen zur Umgestaltung von Kirche und Gesellschaft ist der AKH vor 30 Jah- ren angetreten. Im Ökumenischen Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung wurden diese Ansätze konkretisiert und bekamen den politischen Biß, der - in der ersten Etappe - die Abschaffung des „real existierenden Sozialismus" auf dem Boden der DDR zur Folge hatte, - in der zweiten Etappe - die Abschaffung dieser DDR selbst und - in der dritten - schließlich die Wiedererlangung der „Einheit Deutschlands in Freiheit" – ich gebrauche hier ausdrücklich den politischen Slogan der Konservativen, nicht etwa, weil er mich mit Zustimmung und Begeisterung erfüllt, sondern weil er zugleich die Abschaffung der im Osten Deutschlands gerade mühsam errungenen und installierten basisdemokrati- schen Elemente impliziert. Die parlamentarische Demokratie bundesdeutscher Prägung ist eine Parteiendemokratie, die sich eher über den Kampf um die Macht als durch ernsthaftes Bemühen um Problemlösungen definiert. Die bürgerbewegten Basisdemokraten der unter- gehenden DDR wurden denn auch sehr schnell in den etablierten politischen Parteien neu- tralisiert und von den professionellen Akteuren des parlamentarischen Systems an den Rand gedrängt. Anders der AKH. Seine Struktur – oder besser: Strukturlosigkeit – bot günstige Voraussetzungen , um die im „Ökumenischen Prozeß" formulierten Maßstäbe für Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit und ökologisches Gewissen an das marktwirtschaftlich-kapitalistische System anzulegen. WARUM ? Im AKH lebt jener basisdemokratische Geist fort, dem es nicht um Verbandsinteres- sen und Machtspiele geht. Er ist unabhängig, denn er wird auf niedrigstem Niveau von zeit- kritischen Privatpersonen gesponsert. Die Mitglieder des Sprecherkreises sind – jedenfalls in seiner derzeit aktiven Zusammensetzung – partei- und/oder verbandspolitisch nicht ambitio- niert. Der AKH muß, obwohl er sich als ein – im Wortsinne – katholischer und also ökumeni- scher Kreis versteht, nicht einmal auf die römisch-katholische Kirche Rücksicht nehmen, weil er eine ungeliebte - um nicht zu sagen: natürliche – Tochter dieser Institution ist, die ihn – wir werden das morgen bei der Vorstellung von Claus Herolds Büchlein über Stasi, Staat und AKH expliziert bekommen – zu DDR-Zeiten eher stiefmütterlich behandelt hat und auch heute keinen rechten Gefallen an ihm finden kann. Diese Freiheit erlaubt es ihm, die existen- tiellen Fragen der Zeit radikal zu stellen und bei der Lösungssuche keine Rücksicht auf de- ren tagespolitische Machbarkeit nehmen zu müssen. Ich erinnere noch einmal an meine Brandrede von 1991. Ausschlaggebend war für mich da- mals neben der Absicht, die Beerdigung des AKH zu verhindern, ein Geheimpapier des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU gewesen, in dem der unverhohlenen Absicht Ausdruck gegeben wurde, die durch Vorwende und Wende politisch aktivierte und engagier- te evangelische Kirche der DDR wieder zu dem zahnlosen Haustier zu machen, als das sich die Kirchen in vertraglich abgesicherter Position zwischen fiskalischem Kirchensteuerein- trieb, konfessionell getrenntem Religionsunterricht an den Schulen und staatlich finanzierter Militärseelsorge in der Bundesrepublik etabliert hatten. Für Kirche als Teil der basisdemokra- tischen Bewegung war und ist im parteiendominierten parlamentarischen System kein Platz. Das Gemeinsame Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland ist zwar nicht zuletzt auch aus dem Schwung der Wende heraus mit entstan- den – der AKH hat sich intensiv an der Diskussion im Vorfeld des Papiers beteiligt – hat aber jegliche revolutionären, ja auch nur andeutungsweise reformerischen Ansätze dem ta- gespolitischen Konsens geopfert und dadurch seinen – sicher sehr notwendigen – politi- schen Biß verloren. Nicht zuletzt deshalb ist es sehr schnell sehr still um dieses Papier ge- worden. Für die Politiker wurde es sofort wieder uninteressant und unverbindlich, nachdem es seine Rolle als Wahlkampfmunition verloren hatte. Aus christlicher Sicht Stellung zu nehmen zu den Verwerfungen im Kräfteverhältnis zwischen Reichen und Armen, Gewinnern und Verlierern, Gesunden und Kranken, Intelligenten und weniger Intelligenten, Gerissenen und Naiven, Karrieristen und Engagierten, und es dabei nicht bei moralischen Appellen zu belassen, daß doch jeder bitte schön sein Scherflein auch für die Witwen und Waisen beibringen möge, sondern neben einer Analyse der sozialen und ökonomischen Situation auch nach Auswegen aus dem Teufelskreis von Produktion und Konsum, öffentlicher Verarmung und privatem Reichtum, wirtschaftlichem Wachstum und ökologischem Verfall zu suchen, führte uns sehr schnell zu zwei der Hauptsäulen des kapi- talistischen Systems: Der Rolle des Geldes als „Stein der Weisen", mit dessen Hilfe über das Zins- und-Zinseszins-System die wundersame und unendliche Eigentumsvermeh- rung aus dem Nichts heraus und ohne Erbringen persönlicher Leistung – Traum der Alchimisten des Mittelalters – endlich möglich wurde. und Das Privateigentum an Grund und Boden, eingesetzt als sicherer und – durch die immer kleiner werdende Welt - immer geringer und also kostbarer und teu- rer werdender Wertspeicher. Die auf diesem Wechselspiel der Kapitalformen fußenden Witschaftsmechanismen haben – begünstigt durch den Siegeszug des, auf der Welle der Globalisierung reitenden, Neolibera- lismus der letzten 10 bis 20 Jahre geradezu apokalyptisch anmutende Dimensionen und eine Eigengesetzlichkeit entwickelt, die – wie mir scheint – systemerhaltende Reformen unmög- lich macht. Die Börsenkurse zeichnen die Fieberkurve unserer – und davon bin ich jenseits aller Rhetorik und Polemik fest überzeugt – kranken Gesellschaft. Dem Patienten ist eigent- lich nur noch durch einen an die Wurzeln des Systems gehenden und also sehr schmerzhaf- ten Eingriff zu helfen: Es gilt Abschied zu nehmen vom Privatbesitz an Grund und Boden ! Es gilt Abschied zu nehmen von der Rolle des Geldes als Stein der Weisen ! Uns ist klar: dieser Entwurf ist eine Vision und weit von den Möglichkeiten der Tagespolitik entfernt. Das ist das eigentliche Dilemma, in dem wir uns mit unseren Analysen und Schluß- folgerungen befinden: Die - von uns immer noch mehr erahnten, als gebahnten - Auswege aus den Sackgassen unseres politisch-ökonomischen Systems sind in der derzeitigen ge- sellschaftspolitischen Situation nicht begehbar – die eingeschlagenen Wege der Politik aber werden nicht aus den Sackgassen herausführen. Was wir als kleinen Erfolg unserer Bemü- hungen um Einsicht in die Zusammenhänge zwischen sozialen und ökologischen Mißstän- den einerseits und grenzenloser Geldherrschaft andererseits verbuchen können, ist die Tat- sache, daß sich auch bei vielen anderen Gruppen, die sich mit dieser Thematik beschäfti- gen, die Erkenntnis durchsetzt, daß es eine Überwindung der sozialen und ökologischen Krisen, die ja ebenso globalisiert sind wie Wirtschaftskraft und Kapital, ohne eine grundle- gende Veränderung der Rolle des Geldes, sowie einen gemeinnützigen Umgang mit dem Eigentum an Grund und Boden nicht geben wird. Es ist zumindest tröstlich, wenn man nicht ganz allein im dunklen Walde pfeift. Und so finden wir uns auch bei diesem Thema gut auf- gehoben in dem heimlichen Slogan des AKH: Viele Akte der Vergeblichkeit müssen getan werden, und wer soll sie tun, wenn nicht wir ! 1998 Josef Goebels Erklärung zum „Dritten Weg" Ich zähle nicht zu den Aktivisten der 1.Stunde; ich bin ein Spätberufener aus dem letzten Drittel der AKH-Ära. Als 1991 der damalige Sprecherkreis den AKH auf dem Altar der deutschen Einheit opfern wollte, habe ich auf der eigens einberufenen Beerdigungsveranstaltung als eher Außenste- hender einen lautstarken Reanimationsversuch unternommen, der mich dann allerdings in Zugzwang brachte, dem wiederbelebten Patienten auch weiterhin mit Atemspenden zur Ver- fügung zu stehen. Das habe ich als Mitglied des Sprecherkreises nach besten Kräften getan, mußte allerdings bald erkennen, daß meine von Backbord einfallenden - also relativ linken - Winde einige Mitglieder des Sprecherkreises ein wenig, manche auch ein wenig mehr, aus der gemeinsamen Fahrtrichtung drängten. Ich möchte die Gelegenheit nutzen, mein Bedau- ern darüber auszudrücken. Uns fehlt jede Stimme – und wirklich moderne Musik zeichnet sich ja bekanntlich nicht gerade durch übertriebenes Harmoniebewußtsein aus. Vielleicht wird unser Chor wieder vollständig, wenn ich mich – und das habe ich nun vor – aus der ersten Reihe zurückziehe. Bevor ich das allerdings tue, muß ich noch ein paar Sätze über das Thema loswerden, dem ich mich in den vergangenen acht Jahren mit Engagement ge- widmet habe: Die fatale Rolle, die Wirtschaft, Geld und Eigentum bei den gegenwärtigen ge- sellschaftlichen Entwicklungen spielen. Keine Angst: ich werde kein Grundsatzreferat über unsere Vorstellungen von einem Dritten Weg zur Versöhnung von Marktwirtschaft und Gesellschaft halten. Es ist in den letzten Jahren viel – für einige aus unserem Kreis schon zu viel - davon die Rede gewesen. Eine – wie ich glaube – brauchbare Zusammenfassung können Sie jederzeit auf der letzten Seite unseres AKH-Faltblattes nachlesen. Ich möchte vielmehr – nachdem dieses Thema für uns/mich zu einem gewissen Ab- schluß gekommen ist – zu erläutern versuchen, warum ich/wir dieses Thema so sehr in den Mittelpunkt unserer Überlegungen gerückt haben und weshalb ich nach wie vor der Meinung bin, daß gerade der AKH dafür das geeignete Forum war. Es gibt Stimmen im Umfeld des AKH, die uns vorwerfen, ein solches Thema gehöre nicht in einen christlichen Kreis. Darum sollten sich Fachleute – Wirtschaftswissenschaftler, Politolo- gen, Politiker – kümmern. Es sei nicht unsere Aufgabe, alternative Gesellschafts- u/o Wirt- schaftsmodelle zu diskutieren oder gar zu entwickeln. Es sei mehr als merkwürdig, wenn ehemalige Dissidenten zu roten Bannerträgern mutierten. Die Bergpredigt des – in wirtschaftlichen und politischen Fragen ebenso wie wir laienhaften und also naiven – Wanderpredigers Jesus von Nazareth sei mehr oder weniger ein frommer Wusch gewesen, bestenfalls eine Aufforderung zu Umkehr und Buße an den einzelnen, also an jeden von uns als Individuum, nicht aber als visionärer Aufruf zur gesellschaftlichen Umgestaltung zu verstehen. Politik ließe sich damit schon gar nicht machen. Sack und Asche, der graue Kittel des Heiligen Franz von Assisi stünden uns eher an als die rote Armbinde des Berufsrevolutionärs. Solange wir nicht hingingen und unseren Mantel dem gäben, der keinen hat, damit der – nunmehr im Gegensatz zu uns - endlich einen habe, hätten wir nicht das Recht, mit Fingern auf die zu zeigen, welche unter der Last ihrer vielen Mäntel schier zusam- menbrechen. Kurzum: niemand gäbe uns das Recht, nach dem Balken im Auge des gesellschaftlichen Systems zu suchen, solange wir auch nur die Andeutung eines Splitters im eigenen Auge vermuten könnten. Ich sehe das anders ! Demokratisierung, Humanisierung, Neuinterpretation des Glaubens – mit diesen grund- sätzlichen Intentionen zur Umgestaltung von Kirche und Gesellschaft ist der AKH vor 30 Jah- ren angetreten. Im Ökumenischen Prozeß für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung wurden diese Ansätze konkretisiert und bekamen den politischen Biß, der - in der ersten Etappe - die Abschaffung des „real existierenden Sozialismus" auf dem Boden der DDR zur Folge hatte, - in der zweiten Etappe - die Abschaffung dieser DDR selbst und - in der dritten - schließlich die Wiedererlangung der „Einheit Deutschlands in Freiheit" – ich gebrauche hier ausdrücklich den politischen Slogan der Konservativen, nicht etwa, weil er mich mit Zustimmung und Begeisterung erfüllt, sondern weil er zugleich die Abschaffung der im Osten Deutschlands gerade mühsam errungenen und installierten basisdemokrati- schen Elemente impliziert. Die parlamentarische Demokratie bundesdeutscher Prägung ist eine Parteiendemokratie, die sich eher über den Kampf um die Macht als durch ernsthaftes Bemühen um Problemlösungen definiert. Die bürgerbewegten Basisdemokraten der unter- gehenden DDR wurden denn auch sehr schnell in den etablierten politischen Parteien neu- tralisiert und von den professionellen Akteuren des parlamentarischen Systems an den Rand gedrängt. Anders der AKH. Seine Struktur – oder besser: Strukturlosigkeit – bot günstige Voraussetzungen , um die im „Ökumenischen Prozeß" formulierten Maßstäbe für Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit und ökologisches Gewissen an das marktwirtschaftlich-kapitalistische System anzulegen. WARUM ? Im AKH lebt jener basisdemokratische Geist fort, dem es nicht um Verbandsinteres- sen und Machtspiele geht. Er ist unabhängig, denn er wird auf niedrigstem Niveau von zeit- kritischen Privatpersonen gesponsert. Die Mitglieder des Sprecherkreises sind – jedenfalls in seiner derzeit aktiven Zusammensetzung – partei- und/oder verbandspolitisch nicht ambitio- niert. Der AKH muß, obwohl er sich als ein – im Wortsinne – katholischer und also ökumeni- scher Kreis versteht, nicht einmal auf die römisch-katholische Kirche Rücksicht nehmen, weil er eine ungeliebte - um nicht zu sagen: natürliche – Tochter dieser Institution ist, die ihn – wir werden das morgen bei der Vorstellung von Claus Herolds Büchlein über Stasi, Staat und AKH expliziert bekommen – zu DDR-Zeiten eher stiefmütterlich behandelt hat und auch heute keinen rechten Gefallen an ihm finden kann. Diese Freiheit erlaubt es ihm, die existen- tiellen Fragen der Zeit radikal zu stellen und bei der Lösungssuche keine Rücksicht auf de- ren tagespolitische Machbarkeit nehmen zu müssen. Ich erinnere noch einmal an meine Brandrede von 1991. Ausschlaggebend war für mich da- mals neben der Absicht, die Beerdigung des AKH zu verhindern, ein Geheimpapier des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU gewesen, in dem der unverhohlenen Absicht Ausdruck gegeben wurde, die durch Vorwende und Wende politisch aktivierte und engagier- te evangelische Kirche der DDR wieder zu dem zahnlosen Haustier zu machen, als das sich die Kirchen in vertraglich abgesicherter Position zwischen fiskalischem Kirchensteuerein- trieb, konfessionell getrenntem Religionsunterricht an den Schulen und staatlich finanzierter Militärseelsorge in der Bundesrepublik etabliert hatten. Für Kirche als Teil der basisdemokra- tischen Bewegung war und ist im parteiendominierten parlamentarischen System kein Platz. Das Gemeinsame Wort der Kirchen zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland ist zwar nicht zuletzt auch aus dem Schwung der Wende heraus mit entstan- den – der AKH hat sich intensiv an der Diskussion im Vorfeld des Papiers beteiligt – hat aber jegliche revolutionären, ja auch nur andeutungsweise reformerischen Ansätze dem ta- gespolitischen Konsens geopfert und dadurch seinen – sicher sehr notwendigen – politi- schen Biß verloren. Nicht zuletzt deshalb ist es sehr schnell sehr still um dieses Papier ge- worden. Für die Politiker wurde es sofort wieder uninteressant und unverbindlich, nachdem es seine Rolle als Wahlkampfmunition verloren hatte. Aus christlicher Sicht Stellung zu nehmen zu den Verwerfungen im Kräfteverhältnis zwischen Reichen und Armen, Gewinnern und Verlierern, Gesunden und Kranken, Intelligenten und weniger Intelligenten, Gerissenen und Naiven, Karrieristen und Engagierten, und es dabei nicht bei moralischen Appellen zu belassen, daß doch jeder bitte schön sein Scherflein auch für die Witwen und Waisen beibringen möge, sondern neben einer Analyse der sozialen und ökonomischen Situation auch nach Auswegen aus dem Teufelskreis von Produktion und Konsum, öffentlicher Verarmung und privatem Reichtum, wirtschaftlichem Wachstum und ökologischem Verfall zu suchen, führte uns sehr schnell zu zwei der Hauptsäulen des kapi- talistischen Systems: Der Rolle des Geldes als „Stein der Weisen", mit dessen Hilfe über das Zins- und-Zinseszins-System die wundersame und unendliche Eigentumsvermeh- rung aus dem Nichts heraus und ohne Erbringen persönlicher Leistung – Traum der Alchimisten des Mittelalters – endlich möglich wurde. und Das Privateigentum an Grund und Boden, eingesetzt als sicherer und – durch die immer kleiner werdende Welt - immer geringer und also kostbarer und teu- rer werdender Wertspeicher. Die auf diesem Wechselspiel der Kapitalformen fußenden Witschaftsmechanismen haben – begünstigt durch den Siegeszug des, auf der Welle der Globalisierung reitenden, Neolibera- lismus der letzten 10 bis 20 Jahre geradezu apokalyptisch anmutende Dimensionen und eine Eigengesetzlichkeit entwickelt, die – wie mir scheint – systemerhaltende Reformen unmög- lich macht. Die Börsenkurse zeichnen die Fieberkurve unserer – und davon bin ich jenseits aller Rhetorik und Polemik fest überzeugt – kranken Gesellschaft. Dem Patienten ist eigent- lich nur noch durch einen an die Wurzeln des Systems gehenden und also sehr schmerzhaf- ten Eingriff zu helfen: Es gilt Abschied zu nehmen vom Privatbesitz an Grund und Boden ! Es gilt Abschied zu nehmen von der Rolle des Geldes als Stein der Weisen ! Uns ist klar: dieser Entwurf ist eine Vision und weit von den Möglichkeiten der Tagespolitik entfernt. Das ist das eigentliche Dilemma, in dem wir uns mit unseren Analysen und Schluß- folgerungen befinden: Die - von uns immer noch mehr erahnten, als gebahnten - Auswege aus den Sackgassen unseres politisch-ökonomischen Systems sind in der derzeitigen ge- sellschaftspolitischen Situation nicht begehbar – die eingeschlagenen Wege der Politik aber werden nicht aus den Sackgassen herausführen. Was wir als kleinen Erfolg unserer Bemü- hungen um Einsicht in die Zusammenhänge zwischen sozialen und ökologischen Mißstän- den einerseits und grenzenloser Geldherrschaft andererseits verbuchen können, ist die Tat- sache, daß sich auch bei vielen anderen Gruppen, die sich mit dieser Thematik beschäfti- gen, die Erkenntnis durchsetzt, daß es eine Überwindung der sozialen und ökologischen Krisen, die ja ebenso globalisiert sind wie Wirtschaftskraft und Kapital, ohne eine grundle- gende Veränderung der Rolle des Geldes, sowie einen gemeinnützigen Umgang mit dem Eigentum an Grund und Boden nicht geben wird. Es ist zumindest tröstlich, wenn man nicht ganz allein im dunklen Walde pfeift. Und so finden wir uns auch bei diesem Thema gut auf- gehoben in dem heimlichen Slogan des AKH: Viele Akte der Vergeblichkeit müssen getan werden, und wer soll sie tun, wenn nicht wir !
Herbert Hahn

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