Thesen zum Pastoralen ZukunftsGespräch
Einige Gedanken über heute gelebten Glauben
- Neuinterpretation des Glaubens meint und gestaltet die zeitbedingte Sicht auf im Vertrau-en gewonnene und tradierte Einsichten.
- Glauben stiftet keine neue Wirklichkeit, sondern eine neue Sicht auf die allen Menschen
- Angesichts unserer wachsenden Kenntnis von der um so rätselhafler bleibenden Welt meint Beten Atemübung in Gelassenheit nach der Art Jesu und anderer Gottsucher.
- Sakramente haben keine standesamtliche Funktion mehr und sind deshalb nicht mehr Zugehörigkeits- oder Anspruchsbescheinigungen, sondern mögliche Ausdrucksformen der Hoffnung für uns selbst und uns Anvertraute.
- Das Sabbat- oder Sonntagsgebot erinnert uns daran, daß der Mensch Unterbrechung von seinem Werk und seiner Einbildung braucht. Diese heilsame Erinnerung geschieht nicht zuerst durch den Gottesdienstbesuch, sondern in jedem befreienden Sonntagser-lebnis.
Überlegungen zum Stichwort "Pastorale Gemeindestruktur
Der Verkündigungsauftrag "Gehet hin in alle Welt" ist für alle Christen bestimmt, nicht nur für Priester und Ordensleute. "Die Verantwortung der Kirche vor Gott trägt mit dem Papst, den Bischöfen und den Presbytern das gesamte Volk Gottes in verschiedenen Funktionen" (II. Vat. Dogmat. Konstitution über die Kirche, Nr. 37,4).
Unsere katholischen Gemeinden sind zu wenig offen nach außen und fühlen sich weitge-hend dem "Bewahren" verpflichtet. Was diesem Bewahren dient, ist im Bewußtsein und in der Wertschätzung der Gemeindearbeit präsent. Gemeinde versteht sich in ihren Strukturen und in ihrem Selbstverständnis vornehmlich als ein Ort der Geborgenheit und unterscheidet sich nicht wesentlich von Struktur und Selbstverständnis eines beliebigen Hobby- oder Interessenvereins.
Die Gemeinde der Zukunft muß die Prioritäten genau umgekehrt setzen. Das Gemeindeleben ist nicht Selbstzweck, sondern Zurüstung auf die Welt, die "draussen" ist. Die Ausein-andersetzung mit dieser "Außen-vor"- Welt ist die Aufgabe der Christen.
Damit ergibt sich eine andere Rangfolge:
- Gemeinde soll ein Ort des Zusammenkommens sein, um darüber nachzudenken, wie man die christliche Sicht auf die offenen Fragen der Zeit in die Welt trägt.
- Gemeinde soll ein Ort sein, wo man sich Straucheln und Unvermögen gegenseitig gestehen, wo man auch seinen Frust über das Mißlingen seiner Bemühungen von der Seele reden kann, (auch über das Ärgernis der Spaltung und das ökumenische Unvermögen, die wiedererstandene hierarchische Selbstherrlichkeit und die realitäts-fremde Entscheidung von Sozialproblemen durch falsche Kompetenzanmaßung),
- Gemeinde wird dann ein Ort, wo man aus der Erfahrung dieser Gemeinschaftsaufgaben zueinander steht und sich um das Miteinander untereinander kümmert, wo man bei allem Unvermögen auf den sicheren Beistand des Geistes hoffen darf, aber eben auch erst dann!
Überlegungen zu einem anderen Verständnis der Kirchenämter
Eine wichtige Rolle werden die Fragen nach dem Priesternachwuchs und damit im Zusam-menhang alle Fragen nach den Bereichen Gemeindestruktur und Seelsorgebezirke einnehmen. Hierzu stellen wir unsere seit vielen Jahren bekannten Optionen zur Diskussion.
Zur Situation:
- Einerseits "zwingt" die abnehmende Zahl der Priester zu einer ständig sich entwik-kelnden Vergrößerung der Seelsorgebezirke;
- andererseits ist das Gemeindeleben am Ort so sehr auf den Gemeindepfarrer orien-tiert, daß seine größere örtliche Entfernung das Gemeindeleben zum Erliegen brin-gen könnte; von den sich immer mehr einschränkenden Möglichkeiten persönlicher Seelsorge und eines ständig ansprechbaren Gesprächspartners am Ort ganz zu schweigen.
- Nicht nur das Recht der Gemeinde auf die sonntägliche Eucharistiefeier ist existentiell bedroht; auch von der zunehmenden Überforderung der einzelnen Priester ist bisher kaum die Rede.
Der AKH ist überzeugt, daß Lösungswege in folgenden Überlegungsrichtungen finden lassen könnten:
- Verstärkte Betonung des allgemeinen Priestertums aller Getauften. (Hierhin gehören auch
- Überwindung der Zugangshindernisse zum Weihepriestertum wie Geschlecht, Lebens-form und bestimmte formale Bildungsvoraussetzungen. (Hier wären alle Möglichkeiten der schon oft diskutierten "bewährten Menschen" anzusprechen und umzusetzen.)
- Wahrnehmen, Fördern und strukturelles Untersetzen der speziellen Begabungen der Gemeindeglieder (Lehre, Verkündigung, Liturgie, Musik, praktische Dienste, Umgang mit verschiedenen Altersgruppen und auch Problembereichen; so geordnete Dienste können ehren-, neben-, hauptamtlich, zeitlich punktuell, in Teil- oder Vollzeit geleistet und dank-bar angenommen werden.)
- Intensive, und vorbehaltlose ökumenische Zusammenarbeit am Ort bis hinein in den Sonntagsgottesdienst.
Überlegungen zu praktischen Modellen gelebter Ökumene
Wir halten nach wie vor eine Definition der Dresdener Pastoralsynode für zutreffend: "Dias-pora meint nicht das Leben von Katholiken unter Christen anderer Konfessionen - wie im Sprachgebrauch vergangener Jahrzehnte üblich - , sondern die Existenz der Christen in ei-ner nichtchristlichen Umwelt" ("Glaube heute", Fußnote zu Abschnitt 32).
Für die christlichen Kirchen in unserem Raum müsste das vor allem bedeuten:
- Konsequentes Wahrnehmen der ökumenischen Option zur Belebung und Erhaltung christlicher Gemeinde an jedem Ort, an dem Christen wohnen und sich versammeln wollen;
- Es ist wichtiger, daß alle Christen eines Territoriums sich versammeln, gemeinsam beten und feiern und in der Öffentlichkeit wirksam werden, als in "Kleinstgrüppchen" konfessionelle Unterschiede zu konservieren.
- Dieser "ökumenische Alltag" soll nicht die konfessionellen Besonderheiten der einzel-nen Christen verwischen; sondern die Herkunft aus verschiedenen Bekenntnissen kann den Blick für das Wesentliche schärfen, das Gemeindeleben bereichern und die "Verkündigung der Botschaft" glaubwürdiger machen.
Aus diesen Überlegungen könnte sich folgendes Modell entwickeln:
- Die Christen "an einem Ort" versammeln sich zum Sonntags-Gottesdienst in der nächstgelegenen Kirche. Die "VorsteherInnen" dieser Feiern werden im Konsens von Gemeinde und beteiligten Kirchenleitungen bestellt.
- Diese sich so neu, also ökumenisch" organisierenden Ortsgemeinden wissen sich ver-netzt mit allen Nachbargemeinden ähnlicher Struktur, und den lebensfähigen, weil aus-reichend großen konfessionell verfassten Gemeinden.
Die hauptamtlichen Mitarbeiter der verschiedenen Kirchen und Bekenntnisse werden so
frei für:
- persönliche Seelsorge,
- Entfaltung ihrer je spezifischen Begabungen und Interessen im Dienst aller Christen ei-nes größeren Territoriums
- Möglichkeiten zur Bildung von Lebensgemeinschaften Gleichgesinnter zur Gestaltung eines lebendigen geistlichen Lebens.
Überlegungen zur Kirchensteuer
- Die deutsche Kirchensteuer ist in ihrer Art einzigartig auf der ganzen Welt. Ihr Einzug durch den Staat gegen eine Gebühr von 2-4,5 % des Kirchensteueraufkommens ist durch das Grundgesetz und durch Landesgesetze garantiert. Sie hat die deutschen Kir-chen zu den reichsten in den Weltkirchen gemacht, wird aber lt. Umfragen nur noch von etwa 1/3 der Bundesbürger gutgeheißen. Sie ist selbst für den Vatikan problematisch. "Die Kirche in Deutschland muß sich fragen, von welchen Dingen sie sich freiwillig trennen kann, bevor sie ihr genommen werden" (Kardinal Ratzinger)
- Angesichts der geänderten Situation für die Kirchen und ihrer dadurch geänderten Rolle in unserer zunehmend säkularisierten Gesellschaft seit der Weimarer Reichsverfassung von 1919 bzw. seit dem Grundgesetz von 1949 ist es an der Zeit, das Staat-Kirche-Verhältnis grundsätzlich neu zu bedenken und damit auch vor allem das Problem der Kirchensteuer und auch der sog. positiven und negativen in den Staat-, Länder-, Kir-chenverträgen ausgehandelten Staatsleistungen anzugehen, vor allem unter theologisch-ekklesiologischen Aspekten.
- Die Kirchenleitungen müssen die Mahnung des Vatikans ernst nehmen und um der Glaubwürdigkeit der deutschen Kirche willen damit beginnen, das Gottesvolk wahrheits-getreu und rückhaltlos über die Problematik des jetzigen Kirchensteuersystems zu infor-mieren, andere Modelle in anderen Ländern Europas als mögliche Alternativen vorzustel-len und schon jetzt Modifikationen des jetzigen Kirchensteuersystems zu bedenken und schrittweise anzugehen,
- volle Transparenz bei der Zuteilung und Verwendung der Steuergelder,
- Aufgabe des Zwangszahlungscharakters und
- Verzicht auf die Exkommunikation als kirchliche Strafmaßnahme.
Gedanken zum Umgang mit dem Eigentum an Grund und Boden
"Das Land darf nicht endgültig verkauft werden, denn das Land gehört mir und ihr seid nur Fremde und Nachsassen bei mir" heißt es im Alten Testament ( Mose, 3. Buch, 25,23).
Heute ist der Boden weitgehend in privater Hand. Er ist Machtfaktor und Spekulationsobjekt und dient der Bereicherung einer kleinen Gruppe von Menschen.
Die Konsequenzen sind:
- wachsende soziale Spaltung in der Gesellschaft in arm und reich (auch zwischen ganzen Nationen).
- katastrophaler Umgang mit Natur und Umwelt, der zu einem ökologischen Katastrophe führen kann.
- Behinderung innovativer Entwicklungen und der Kreativität einzelner in der Wirtschaft.
- Benachteiligung aller, die keinen Besitz an Grund und Boden haben.
Es ist an der Zeit, neu über das Eigentum an Grund und Boden nachzudenken. Dabei geht es nicht um eine Wiederbelebung des deformierten Begriffs Volkseigentum. Namhafte Wissenschaftler in den USA und in Europa schreiben Bücher zu diesem Problemkreis und entwickeln völlig neue Modelle einer Vergesellschaftung des Bodens:
- Der Boden steht für private Nutzung im Wohnungsbau zur Verfügung und zwar zu gün-stigen Konditionen.
- Das Recht auf Wohnen wird leicht realisierbar. Wohnungs- und Gewerbemieten werden dem Wucher entzogen.
- Wirtschaftliche Entwicklung wird gefördert. Ein Unternehmen erhält den erforderlichen Boden. Schlägt das Experiment fehl oder läuft aus, steht das Land wieder der Gesell-schaft, z.B. einer Kommune zur Verfügung.
- Gesellschaftlich notwendige Maßnahmen im Umweltschutz oder bei der Entwicklung der Infrastruktur können ohne Hindernisse realisiert werden.
- Die oft investitionshemmende Nutzung des Bodens durch Spekulation auf Wertzuwachs entfällt.
- Investoren bleibt eine beachtliche Verschuldung und Zinsbelastung erspart.
Die Kirche sollten in biblischer Tradition in dieser Diskussion Vorbild für eine neue Zukunft sein.
Als großer Grundeigentümer sollte sie neben der theologischen Reflexion durch praktische Beispiele im Umgang mit dem eigenen Eigentum Zeichen setzen:
- Grund und Boden, Immobilien und Einrichtungen, die nicht Kult oder Lehre dienen, sollten transparent und demokratisch verwaltet werden.
- Alternative Besitz- und Wirtschaftsformen sollten gefördert werden.
- Genossenschaftliches Wohnen und Wirtschaften sollten unterstützt werden.
- Einrichtung selbstverwalteter Betriebe.
- Förderung ökumenischer Entwicklungsgenossenschaften.
- Unterstützung und Förderung von Stiftungen.
Das Bistum Magdeburg gehört sicher nicht zu den Reichen. Viele große Veränderungen in Gesellschaft und Kirche haben aber bei den Armen und Kleinen begonnen.