Liebe Freunde und Freundinnen des AKH,

die Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum haben begonnen. Hervorzuheben ist die Eröffnungsveranstaltung in Lund, an der auch Papst Franziskus in brüderlicher Verbundenheit teilgenommen hat. Statt der Betonungkonfessioneller Unterschiede wolle man gemeinsam ein Christusfest feiern. Das lässt hoffen.
Auch dass die Katholische Kirche sich darauf besinnt, dass die konfessionelle Trennung nicht allein die Schuld des „unbotmäßigen“ Luther war, sondern eine erhebliche Schuld auch die reformunwillige, sich im Besitz ewiger Wahrheiten fühlende Kirchenleitung auf sich geladen hat. Den darauffolgenden 30 Jahre währenden Krieg in Europa, mit all seien Gräueln – als Glaubenskrieg geführt – in dem es aber letzten Endes um handfeste Interessenverteidigung und Herrschaftsansprüche ging, erleben wir heute als Neuauflage in anderen Teilen der Welt.
Haben wir nicht geglaubt, dass diese spätmittelalterlichen Zeiten vorbei sind?
Aber eine der Ursachen für die zahllosen Flüchtlinge in unserer Zeit sind genau solche von sog. „Gotteskriegern“ geführten Auseinandersetzungen. Der Hass und die Grausamkeit mit denen sie geführt werden, lässt auch uns in den europäischen, vom Krieg verschonten Ländern nicht unberührt. Auch hierzulande werden die Regeln eines zivilisierten Zusammenlebens zusehends außer Kraft gesetzt.
In den sozialen Medien toben sich die Unflätigkeiten gegen öffentliche Personen, die man als „Feinde“ sieht, aus.
Aber auch in der Politik wird in hilfloser Reaktion von „Pack“ und „menschlichem Dreck“ gekontert. Zuhören, Respekt zeigen, Akzeptanz üben, das sind Tugenden, die einer längst vergangenen Zeit anzugehören scheinen.
Die Gesellschaft ist gespalten. Aber für die Aufgaben, vor denen sie steht, ist das durchaus nicht dienlich.
Von einer Willkommenskultur für Flüchtlinge, die immer wieder beschworen wurde, ist kaum noch etwas zu spüren. Neben blankem Hass, latenter Ablehnung, Furcht vor Terror, aber auch tatkräftiger Hilfe, macht sich Rat- und Hilflosigkeit breit.
Und zudem besinnt sich ein populistischer Teil der Gesellschaft plötzlich auf die Werte des sog. christlichen Abendlandes um gegen den Islam zu polemisieren. Wobei weder das Wissen über das christliche Abendland noch über den Islam wirklich vorhanden ist.
Wir hatten schon im letzten Sommerrundbrief mit einigen Beiträgen auf das Thema der Huysburgtagung 2017: „Christlich - islamische Begegnung statt zerstörende Sprachlosigkeit – wie könnte das gehen?“ eingestimmt.

Auch in diesem Rundbrief finden Sie eine Erklärung von Papst Franziskus zum Thema Islam, das er nicht mit „Gewalt“ gleichsetzen will; und eine Verlautbarung des Zentralkomitees der Katholiken unter dem Thema „Keine Gewalt im Namen Gottes“ mit „Acht Geboten für Muslime und Christen“.

Trotzdem nehmen wir an, dass die Anfragen, Vorbehalte, Schwierigkeiten und Unsicherheiten zu diesem Thema im letzten halben Jahr nicht weniger geworden sind.
Auch die spannende Frage, wie die Integration muslimischer Flüchtlinge gelingen kann, beschäftigt viele von uns.
Welche Lesart des Koran gilt? Wie ist mit Widersprüchen umzugehen, die im Koran wie auch in der Bibel zu finden sind?
Was gilt, wenn es keine zentrale Glaubensinstitution gibt? Wie eng sind Kultur und Religion verflochten? Muss Religion und Kultur präziser unterschieden werden? Welche Verhaltensweisen liegen im ureigensten Zentrum der Religion begründet? Wie islamisch ist der Islamismus? Sollten Muslime durch Selbstreflektion dialogfähiger werden?
Sollte der Koran, wie auch die Bibel, zwar als Offenbarung Allahs gesehen werden, aber doch als von Menschen nach ihren damaligen Vorstellungen verfasst, und somit auch mit den Mitteln der Vernunft untersucht und interpretiert werden?
Grundsätzlich sollte Kritik am Islam möglich sein, ohne dass daraufhin Kritikern der Tod angedroht werden darf.
Fragen über Fragen. Auf der Suche nach Antworten laden wir ein zu unserer Huysburgtagung vom 7. bis 9. April 2017. Dazu haben Klaus Winkelmann und Sohn wieder einen sehr ansprechenden Flyer gestaltet, auf dem alles Notwendige für diese Veranstaltung zu finden ist.
Wir freuen uns auf unsere beiden Referenten, Dr. Mahmoud Abdallah und Prof. Bernd-Jochen Hilberath, die geübt sind im interreligiösen Gespräch. Auch solche Konstellationen lassen immer wieder hoffen auf Verständigung und Wegweisung.

Die Adventzeit hat begonnen. Diese Zeit soll für Sie voll Hoffnung sein auf etwas, das Sie in Ihrem tiefsten Inneren ersehnen. Das wünscht Ihnen im Namen des Sprecherkreises von Herzen

Monika Doberschütz

Erklärung von Papst Franziskus vom 1.9. 2016 (Quelle: Spiegel online panorama)

Papst Franziskus hat auf das Gewaltpotential von Christen hingewiesen. „Wenn ich über islamische Gewalt spreche, dann muss ich auch uber christliche Gewalt sprechen“, sagte er.
„In fast jeder Religion gibt es immer eine kleine Gruppe von Fundamentalisten – bei uns auch.“
Journalisten hatten den Papst am Sonntag auf dem Rückflug von seiner Polenreise gefragt, warum er niemals das Wort Islam benutze, wenn es um Terrorismus und andere Gewalt gehe.
Die Antwort des Papstes: „Auch Katholiken würden Verbrechen begehen. Er lese jeden Tag in den Zeitungen von Gewalttaten in Italien, „und das sind getaufte Katholiken, es sind gewalttätige Katholiken“, fuhr er fort. „Der eine tötet seine Freundin, der andere tötet seine Schwiegermutter, und das sind alles getaufte Christen.“ Der Papst resümierte: „Ich halte es nicht für richtig, den Islam mit Gewalt gleichzusetzen“. Nicht alle Muslime seien gewalttätig, und nicht alle Katholiken.

Hintergrund der Äußerungen sind die jüngsten Anschläge radikalislamischer Attentäter. In einer Kirche in Nordfrankreich hatten zwei Islamisten am vergangenen Dienstag Geiseln genommen und einen Priester ermordet. Die Polizei erschoss die Angreifer.

Franziskus betonte, dass die Religion seiner Ansicht nach nicht die treibende Kraft hinter Gewalttaten sei. Junge Menschen wendeten sich dem Terrorismus aus Mangel an Optionen zu. „Wie viele unserer jungen Europäer haben wir ohne Ideale zurückgelassen, ohne Arbeit, sodass sie sich Drogen und Alkohol zuwenden und bei fundamentalistischen Gruppen mitmachen?“ fragte der der Papst.

Auf dem Hinflug von Rom nach Krakau hatte Franziskus gesagt, dass er die Welt in einem kriegszustand sieht: „Wir dürfen keine Angst haben, die Wahrheit zu sagen: Die Werlt ist im Krieg, weil sie den Frieden verloren hat“. Er spreche nicht von einem Krieg der Religionen, alle Religionen wünschen sich Frieden. „Es ist ein Krieg um Interessen, ein Krieg um Geld, ein Krieg um Ressourcen der Natur“.

Franziskus war am Mittwoch nach Polen geflogen. Eine Station seiner Reise war das ehemalige KZ Auschwitz. Am Sonntag hatte er die Abschlussmesse zum Weltjugendtag nahe Krakau gelesen.

Acht Gebote für Muslime und Christen.(herausgeg. vom ZdK 29 S. Bonn 2016)

Es ist kaum bekannt, dass es im Zentralkomitee der deutschen Katholiken einen Gesprächskreis gibt, in dem Christen und Muslime nicht übereinander, sondern miteinander reden. Da befinden sich Wissenschaftler, Politiker, Historiker, Bibel- und Korankundige, Integrations- und Dialogbeauftragte sowie Leute der alltäglichen Lebenspraxis. Das hochkarätig besetzte Gremium hat nach jahrelanger Arbeit eine Erklärung veröffentlicht.

Der Text enttäuscht nicht. Die Verfasser stellen sich der Realität, geprägt davon, dass es in vielen Gegenden der Welt islamischen Terrorismus gibt, dass in Deutschland die Angst vor den Muslimen verbreitet ist, dass die Muslime unter Generalverdacht stehen und dass viele Vorurteile zu Missverständnissen über den Islam führen.

Dazu nimmt die Erklärung kompetent und verständlich Stellung.

Der Kern der Erklärung



Ein Schwerpunkt der Erklärung ist eine genaue Interpretation der Bibel und des Koran. Dass es in beiden heiligen Schriften Stellen gibt, die zu Gewalt aufrufen, ist unbestreitbar. Wenn man die richtige Hermeneutik anwendet (historisches Einordnen von Texten),- was viele muslimische und auch manche christliche Gruppierungen nicht tun - lassen sich diese Stellen entschärfen.
Der Gesprächskreis sieht diese oft zitierten Stellen meist in einer historisch-kritischen Hermeneutik aus dem Kontext der Entstehungszeit erklärt.
Daraus ergibt sich, dass diese Stellen nicht verallgemeinert werden dürfen und nicht zur Rechtfertigung von Gewalt dienen dürfen.
Viele Texte lassen erkennen, dass sie situationsbedingt entstanden sind. Z.B. „Und kämpft auf dem Weg Gottes gegen die, die euch bekämpfen. Doch begeht dabei keine Übertretungen! Siehe, Gott liebt nicht die, die Übertretungen begehen. Tötet sie, wo immer ihr sie antrefft, und vertreibt sie, von wo sie euch vertrieben haben. Denn die Versuchung (zum Chaos) ist schlimmer als das Töten.“
Situationsbedingt entstanden, zeigt der Text zugleich ethische Prinzipien auf, die für Muslime auch heute gültig sind. Islamische Kommentatoren, die für Muslime eine hohe Verbindlichkeit haben, sagten dazu nach Muhammads Tod: „Tötet keine Frauen und Kinder oder Nichtkämpfende und tötet nicht alte und religiöse Menschen. Fällt keine früchtetragenden Bäume und vergiftet nicht die Felder eurer Feinde“.

Selbst wer von dieser Interpretation nicht überzeugt ist, sollte angesichts der übergeordneten Absichten der beiden heiligen Schriften die Bedeutung der „Gewalttexte“ relativieren.
Denn sowohl Bibel wie Koran sprechen fast ständig von Barmherzigkeit, Frieden, Gerechtigkeit, Versöhnung, Gewaltfreiheit und auch Liebe. Durch diesen übergeordneten Kontext werden religiös und ethisch abweichende Texte eindeutig in Frage gestellt.

Die Wahrnehmung der globalen Konflikte bezieht sich vor allem auf islamischen Fanatismus und Terror, wobei anzumerken ist, dass das Wort „islamisch“ nicht eindeutig ist, da es den Islam nicht gibt.
Natürlich ist zu fragen, was eine Erklärung des ZdK bewirken kann, und wie die schreckliche Differenz zwischen dem Ideal der Erklärung und der grausamen Wirklichkeit praktisch zu überwinden ist.

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