zur Zeit boomen die Erinnerungen: schon monatelang werden wir mit „20 Jahre Friedliche Revolution“ und allem Drum und Dran konfrontiert; wir (speziell als AKH-Sympathisanten) erinnern uns an die 40 Jahre unseres Bestehens; und an das Weihnachtsgeschehen werden wir im Moment allenthalben auf oftmals merkwürdig-abwegige Art und Weise erinnert.
Aber der Reihe nach: „Erinnerung ist das Geheimnis der Erlösung“, diese jüdische Weisheit ist offensichtlich der Tenor der Reflexion der katholischen Kirche auf die Wendeereignisse und scheint auf „Erlösung“ abzuzielen. Erlösung vom Vorwurf der damals abwartenden Untätigkeit. Man reibt sich die Augen, wenn z.Z. allenthalben in kirchlichen Kreisen von der Unterbewertung der Rolle der kath. Kirche beim Sturz des Regimes zu hören ist.
Unter der Überschrift „Spät, aber selbstbewußt“ (T.d.H. Nr. 49), hat man sich flugs von den selbstanklagenden Einschätzungen der ersten Nachwendezeit emanzipiert. Als alle Kastanien aus dem Feuer geholt waren und keine Unannehmlichkeiten mehr drohten, konnte man leicht „selbstbewußt“ agieren. Dazu unser erster Beitrag aus einem Podiumsgespräch.
Unser Nachdenken über 40 Jahre AKH soll nun aber einen anderen Aspekt von Erinnerung beleuchten, nämlich: „Zukunft braucht Erinnerung“.
Vom 16. bis 18. April 2010 wollen wir dieses Jubiläum auch wieder im gastlichen Huysburg- Kloster feiern. Dazu laden wir heute herzlich ein!
In die Jahre gekommen, haben wir – nichtsdestotrotz – immer noch Visionen. Die wollen wir auf der Tagung gemeinsam bedenken. (Es sind die Fantasiereichen, die die Welt in Atem halten, nicht die Erbsenzähler, war kürzlich zu lesen.)
Einen Bericht über 40 Jahre AKH hat Klaus Winkelmann für diese Sendung zusammengestellt. Und was die Visionen im Hinblick auf die Schaffung einer zu verbessernden Welt betrifft, so finden Sie Gedankenanstöße zu drei Themen ebenfalls in dieser Sendung.
Zum einen geht es um die Infragestellung längst nicht mehr gerechtfertigter Privilegien der Kirchen, die Kirchenfinanzierung betreffend (Herbert Hahn), um Fragen zu einer Solidarischen Ökonomie (Klaus Winkelmann) und um den Umgang mit unserer Vergangenheit (Peter Stosiek und Winfried Schülke).
Alle diese Beiträge sollen Sie auf die Huysburgtagung einstimmen.
Den Festvortrag zur Tagung wird Jochen Garstecki, - viele Jahre Mitglied des AKH-Sprecherkreises, - halten zum Thema: „40 Jahre AKH-Geschichte – gegen die eigene Geschichtsvergessenheit“.
Und für den Vortrag am Samstag hat Propst i.R. Heino Falcke (schon oft Gast im AKH) zugesagt. Er wird über „Ökumenische Versammlung, Konziliarer Prozess in Beziehung zur Gegenwart“ sprechen. Die Ök. Versammlung nur im Zusammenhang mit der Wende zu sehen, engt sie ein und reißt sie aus dem globalen Zusammenhang. Im Ök. Weltrat der Kirchen ging es vor über 20 Jahren um: Eine Hoffnung lernt gehen, Gerechtigkeit den Menschen, Friede den Völkern, Befreiung der Schöpfung. Und das ist heute aktueller denn je.
Da wir dieses Mal nicht vorhaben, an alle angemeldeten Teilnehmer noch einen extra Rundbrief zu verschicken, gibt es schon heute einen Ablaufplan:
Am Freitag, d. 16.4. bis 17Uhr, spätestens 18,30Uhr Anreise.
Ab 19,30Uhr offizielle Begrüßung und Festvortrag von Jochen Garstecki. Danach Gesprächsrunde und Diskussion bis gegen 22 Uhr.
Samstag, d. 17.4., 8,15Uhr Angebot einer Statio, 9,30Uhr Vortrag von Propst i.R. Heino Falcke zu: „Ökumenische Versammlung, Konziliarer Prozeß in Beziehung zur Gegenwart“.Danach Gesprächsrunde und Diskussion.
Mittagspause bis gegen 15Uhr.
Ab 15 Uhr bieten wir die drei folgenden Arbeitskreise an
a) Kirchenfinanzierung (Pfr. Dr. Martin / Bonhoeffer-Verein )
b) Fragen zu einer Solidarischen Ökonomie (Klaus Winkelmann)
c) Umgang mit unserer Vergangenheit (Prof. Peter Stosiek u. Prof. Winfried Schülke)
Es ist uns wichtig, dass Sie sich vorab mit diesen drei Themen befassen, um sich dann für die Mitarbeit in einem der Arbeitskreise entscheiden zu können, auch Ihre Meinung dazu einzubringen. Wir wünschen uns, dass zum Arbeitsabschluss belastbare Voten erarbeitet werden, die veröffentlicht werden können. Für den Samstagabend haben wir vor, eine festliche Soiree zu veranstalten. Dazu sind wir noch auf Programmsuche.
Sonntag, d.18.4. werden wir, als Abschluss und Höhepunkt unseres diesjährigen AKH-Treffens, miteinander eine ökumenische Wortgottesfeier und gemeinsame Agape-Feier begehen. Zum Inhalt: Reich Gottes – Jetzt. Ist unsere Hoffnung auf Vollendung persönlich oder allgemein? Texte von K. Rahner u. D. Bonhoeffer.
Um Anmeldung zur Tagung bitten wir bis Ende Januar an die obige Adresse. Der Tagungsbeitrag in Höhe von 90€ pro Person sollte bis zum 10. April auf das geänderte Konto (s. Fußzeile auf dem Kopfbogen) der Pfarrei Halle Nord, Kennwort AKH überwiesen werden.
Und nun noch Gedanken zur Weihnachtserinnerung. Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, sollte sie sich auf die poetische Beschreibung von Jesu Geburt mit Krippe, Windel und Jungfrau, himmlische Engelchöre die den Frieden verkünden, (der leider auch heute nirgends greifbar ist), beschränken. Der Mystiker Angelus Silesius bringt es auf den Punkt: „Wär Christus tausendmal zu Bethlehem geboren, doch nicht in Dir, Du bleibst doch ewiglich verloren“. Das bleibt letzten Endes als Weihnachtsaufgabe für uns, ihn in uns zu erkennen und lebendig zu machen.
Lassen Sie sich überraschen, was aus der Erinnerung an Vergangenes für die Zukunft zu bedenken ist Wir freuen uns auf ein Wiedersehen im April, und Ihnen allen gesegnete Weihnachtstage und ein gutes neues Jahr wünscht im Namen des Sprecherkreises
Monika Doberschütz
aus einem Podiumsgespräch zu
Staat und Kirche in der DDR. Der Weg zur friedlichen Revolution.
Die offizielle Haltung der katholischen Kirche zum DDR-Regime hat der Historiker Martin Höllen in einer umfangreichen Dokumentation „Katholizismus und Kirchenpolitik in SBZ und DDR“als Loyale Distanz? umschrieben.
Ein wichtiges Konzilspapier zu Anfang der 60er Jahre hatte den Titel „Gaudium et spes“ über die Öffnung der Kirche zur Welt von heute.
Diesen von den Konzilsvätern gewünschten Dialog mit der Welt hielt der damalige Vorsitzende der Berliner Ordinarienkonferenz, der spätere Kardinal Bengsch für so bedenklich, dass er 1962 in einer Eingabe nach Rom erklärte, dass er mit diesem Papier nicht einverstanden sei.
Das Gespräch mit staatlichen Stellen behielt er sich selbst vor. Auf keinen Fall waren Laien befugt, für ihre Kirche zu sprechen.
Die Parole in der katholischen. Kirche hieß also: „Durchhalten und Überwintern“.
Und diese von oben verordnete politische Abstinenz führte schon früh dazu, dass das katholische Kirchenvolk in der DDR im allgemeinen unpolitisch war. Das Geschäft überließ es vertrauensvoll seinen Hirten.
Engagierten Katholiken hierzulande, die mit dem Aufbruch des Konzils große Hoffnungen verbanden, blieb also nur eine gewisse „Renitenz“, mit der sie sich allerdings nicht selten ins Abseits manövrierten.
Schon während des Konzils wurde von ihnen gefordert: In der Kirche muss der Laie eigenständig und eigenverantwortlich werden. Das ist eine Frage auf Leben und Tod. Gelingt das nicht, wird die Kirche innerlich und äußerlich einschrumpfen. (Wolfgang Trilling)
Diese war dann auf dem Weg zur friedlichen Revolution auch äußerst zurückhaltend.
Als ihr Vertreter sagte im Februar 1988 der damalige Berliner Bischof und heutige Kölner Kardinal Meisner in Abgrenzung zu den nicht unpolitischen Friedensgottesdiensten: „Wenn ein Gottesdienst nicht mehr zuerst der Gottesverehrung dient, dann ist das nach unserem kath. Verständnis ein fragwürdiges Unterfangen“.
Noch im Oktober 1989 äußerte sich der Bischof von Dresden vor kirchlichen Mitarbeitern in der Weise: man müsse erst mal abwarten, ob das Ganze nicht doch in eine sozialistische Richtung geht.
Kardinal Sterzinsky bekannte denn auch im Februar 1990 vor der Synode des Bundes der EKD: „Wir haben deshalb bedauerlicherweise uns sehr zurückgehalten und uns viel zu wenig an den Vorbereitungen des Neuaufbruchs beteiligt.“
Bischof Wanke fragte im März 1990 nachdenklich: „Hatten wir vielleicht zu wenig Mut, besonders in den letzten Jahren, uns in die Gesellschaft einzumischen, um sie zu verändern?
Haben wir den Weg des geringsten Widerstandes gewählt?
Dass heute in den neuen Ländern so unverhältnismäßig viele Katholiken hohe politische Ämter innehaben, liegt nicht am revolutionären Engagement ihrer Kirche, sondern an der Partei, der sie sich nach alter Tradition angeschlossen haben, weil sie ein „C“ im Namen hat.
Es bleibt die Feststellung: Die Katholische Kirche hat zu spät erkannt, dass sie die Dynamik des gesellschaftlichen Aufbruchs unterschätzt und verpasst hat.
Heute allerdings wird der Beitrag der katholischen Kirche zum Mauerfall vor 20 Jahren aus der Sicht mancher ihrer Vertreter sehr viel positiver gesehen. Nämlich unter der Maxime: „Das weiche Wasser bricht den Stein.“
Der Kölner Kardinal Meisner versteigt sich sogar zu der Feststellung, „das biblische Zeugnis des Nicht- Mitmachens 40 Jahre durchgehalten zu haben, ist das Wunder Gottes. (aus T.d.H. Nr.44)
Monika Doberschütz
Karl Barth über die christliche Abwehrtheorie von der Nestbeschmutzung
Eine Kirche, die aus lauter Angst / nur ja nicht in den Schein zu kommen, / Partei zu ergreifen, / nie und nimmer Partei zu sein sich getraut, sehe wohl zu, ob sie sich nicht / notwendig kompromittiere: / mit dem Teufel nämlich. / der keinen lieberen Bundesgenossen / kennt als eine um ihren guten Ruf / und sauberen Mantel / ewig schweigende, ewig meditierende / ewig neutrale Kirche: / eine Kirche, die allzu bekümmert / um die doch wirklich nicht / so leicht zu bedrohende Transzendenz / des Reiches Gottes - / zum stummen Hund geworden ist.
40 Jahre AKH 1970 – 2010
(Kurze Erinnerung an die Eckdaten unseres gemeinsamen Weges.)
Der AKH verstand sich als eine Gruppe in der Kirche, auch wenn uns die katholischen DDR-Ordinarien den Status als kirchliche, also als Kirche nach ihrem Bilde gehörende, Gruppe strikt verweigerten und ihn deshalb auch zur Teilnahme an der Dresdner Synode nicht zuließen.
Es mag Glück genannt werden, dass die staatlichen Stellen zwar gern sahen, dass die kirchlichen Stellen ihnen unsere Gruppe „zum Abschuss freigaben“, aber dennoch mit einem Zugriff taktisch zögerten. Der Staatssicherheit waren zu viele AKH-Mitglieder als aktiv am kirchlichen Leben beteiligte bekannt. So trauten sie eben diesem Unfrieden nicht. Sie stuften den AKH also mehr, als es die geistliche Obrigkeit tat, als „kirchlich“ ein.
Eine kuriose Situation! Denn so entstand für den AKH ein eigenartiger Aktionsraum zwischen kirchlicher Ächtung und ideologisch-staatlicher Verdächtigung.
Wir nutzten diesen uns zugewiesenen Zwischenraum in vollem Bewusstsein der Observation von beiden Seiten und erörterten öffentlich Themen, die kirchlich und gesellschaftlich durchaus riskant waren (z.B. „Öffnung kirchlicher Strukturen“ nach dem II. Vatikanum einerseits und „Frieden“ und „Menschenrechte“ nach dem Zustandekommen der KSZE andererseits).
Wir fügten unseren Publikationen unbefangen den Schutzvermerk „Nur für innerkirchlichen Gebrauch“ hinzu, verstanden uns dabei aber als im gesellschaftlichen Raum der DDR „kritisch solidarisch“ agierend. Eine weitere „offene Flanke“ zeigten wir dadurch, dass unsere Texte und Themen in ihrem gelegentlich erkennbaren Gleichklang mit Formulierungen westlicher Gruppen den Verdacht der Konspiration mit dem „Klassenfeind“ bzw., je nachdem, mit westlichen „kirchenschädigenden“ Tendenzen aufkommen ließ. Dennoch, oder gerade deshalb blieb es uns klar, dass unsere drei mit westlichen Gruppen z.T. gleichlautend formulierten Gründungsprinzipien genau die erforderliche Richtung anzeigten.
So heißt es in der „Vorläufigen Grundsatz-Erklärung des Aktionskreises Halle (AKH) von 1970:
Soll die Kirche zu dem fähig werden, wozu sie da ist dann muss sie sich.....den Anforderungen unserer Zeit entsprechend ändern:
Diese vor dem staatlich-ideologischen Hintergrund mit Klugheit und Bedacht formulierten Texte waren als gezielt auf die Kirche gerichtet auslegbar (nur für den innerkirchlichen Gebrauch s.o.). Die Staatssicherheit verstand sie allerdings so, wie sie im Grunde auch verstanden werden sollten. So heißt es in einem MfS- internen Bericht aus dem Jahre 1986 sinngemäß: Die Grundsatzerklärung des AKH orientiert ...auf das Engagement für Demokratisierung, Humanisierung bzw. Meinungs- und Informationsfreiheit innerkirchlich wie gesellschaftlich.
In einer Denkpause zur „Wende“zeit galt es zu klären, ob sich jetzt der kirchlich-gesellschaftliche Bezug erledigt habe. Die Antwort hieß bald: Nein! Jetzt wohl erst recht nicht! In unserem aktuellen Flyer ist zu lesen: „Die Forderungen nach Demokratisierung, Humanisierung und Neuinterpretation des Glaubens sind heute aktuell wie im Gründungsjahr“.
Kirche wie Gesellschaft bedürfen angesichts heutiger bedenklicher Entwicklungen deutlicher Anstöße zur grundlegenden Erneuerung im Denken und Handeln. War der AKH während der DDR-Zeit weithin allein auf weiter Flur, konnte er sich jetzt mit Gruppen und Initiativen ohne weiteres vernetzen.
Für Jede und Jeden offen sind auch unsere Jahrestreffen, die der Vertiefung unserer drei Grundanliegen dienen. Perspektivisch wünschen wir uns, dass sich immer mehr Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus den Generationen nach uns in die verschiedenen Aktivitäten des AKH einbringen.
Klaus Winkelmann
Neugestaltung der Kirchenfinanzierung
Das „Drei-Säulen-Modell für eine Reform der Kirchenfinanzierung“, ausgearbeitet von der AG „Kirche gestalten“ des dbv unter Mitwirkung des AKH, ist ein ökumenisches Kompromisspapier. An möglichen Schwachstellen soll nach dem Willen der Arbeitsgruppe weiter gearbeitet werden, bevor es auf dem ÖKT in München der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll.
Auf die offizielle Erklärung des päpstlichen Rates für die Gesetzestexte vom 13.3.2006, in der zwischen einem Kirchenaustritt aus der durch die Taufe begründeten Glaubensgemeinschaft und einem Austritt aus der Kirche als Körperschaft öffentlichen Rechts unterschieden wird, muss im 3. Grundsatz des Drei-Säulen- Modells unbedingt hingewiesen werden.
Im 1.Grundsatz sollte explizit auf die Option der Kirche für die Armen und Entrechteten hingewiesen werden.
Wenn im 4. Grundsatz zu lesen ist, dass ein gesundes, solides und stabiles Fundament als Basis für die soziale Arbeit und die personelle Ausstattung der Kirchen nötig ist, so muss eingewendet werden, dass sich die Kirchen auf den diakonischen Dienst bei den sozialen Lücken konzentrieren sollen und die flächendeckende soziale Arbeit dem Sozialstaat und der Sozialen Marktwirtschaft überlassen sollen. Geistliche und weltliche Amtsträger sollten in die üblichen Tarife der Kranken- und Rentenversicherungen eingegliedert werden.
Im 5. Grundsatz sollte der Prozesscharakter auf dem Weg für „eine freiwillige Kirchenabgabe“ deutlich gemacht werden, indem Zwischenschritte und Übergangsvereinbarungen nach den Staat-Kirche- Verhandlungen folgen.
Herbert Hahn
Solidarische Ökonomie in einer solidarisch geprägten Gesellschaft
Sie zielt auf die „Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik“ (Ahlener Programm 1947 >CDU< und Offenbacher Erklärung 1967 >CDA<) als dritten Weg jenseits von Kapitalismus und Sozialismus. -
Elemente einer solchen gemeinwohl-zentrierten Gesellschaft von untereinander solidarischen Bürgern (,citoyen’, nicht ,bourgeois’!) wären z.B.
Klaus Winkelmannt
Auf dem Weg zu Vergangenheitspolitik
Die Geschichte des AKH ist aufs Engste verwoben mit der DDR-Geschichte, in den Anfängen, aber auch nachwirkend in den Zeiten nach der Wende.
Sicher gibt es verschiedene Wege, sich dieser Geschichte zu nähern, episodisch, biographisch oder thematisch, was uns so in den vergangenen Jahren bewegt hat, was wir vorantreiben, kritisch begleiten wollten. Es gibt einen anderen Aspekt, und dem will sich der Arbeitskreis zuwenden, es ist die politische Perspektive. Was soll das heißen?
Ein Geschehen politisch zu betrachten, heißt, es in Beziehung zu sehen zu dem Parallel-Geschehen der Gegenwart, aber auch zu den Vorgängen in der Vergangenheit und den Zusagen einer erwarteten Zukunft, abwägend, wenn es um Erfolg oder Misserfolg, um Einlösung von Versprechen oder um Enttäuschung oder Versagen geht. Da sind vornehmlich nicht Emotionen oder ethisch-moralische Kriterien im Spiel, natürlich können wir die niemals draußen vor lassen, sondern nüchternes Abwägen, was unseren Mitmenschen, Mitbürgern zum Wohle gereicht. Persönliches Recht des Einzelnen und Gemeinwohl, oft sich in der Praxis des Alltags widersprechende Kategorien, doch in einer politischen Betrachtung müssen sie zusammenfinden.
Und jetzt kommen die Fragen, die wir uns, die sich dieser Arbeitskreis stellen sollte mit Blick auf Vergangenheit und Gegenwart, vielleicht ergibt dann die Diskussion, wie konträr sie auch geführt sein mag, ein Votum zu einer der brennenden Fragen, dann getragen von dem AKH in seinem 40. Jahr.
Wie war der Anfang des AKH? Wie hat er das politische Anliegen des Korrespondenzkreises fortgesetzt? War es politischer Neuanfang, haben wir damals die Zeichen so vieler Aufbrüche erkannt, uns zu eigen gemacht, oder weiter das „Sandkastenspiel“ eines kritischen Umgangs mit der kirchlichen Wirklichkeit
betrieben mit der entschuldigenden Begründung, dass Demokratisierung der Kirche auch die Demokratisierung der Gesellschaft vorantreiben werde?
Haben wir uns mit Nachdruck den suchenden Schritten von Gruppen in der evangelischen und auch katholischen Kirche angeschlossen, die man unter der Überschrift „Kirche im Sozialismus“ zusammenfassen kann, wo es um eine kritische Begleitung, eine kritische Befragung der gesellschaftlichen Wirklichkeit des „real existierenden Sozialismus“ ging, ihn an der Realutopie eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz zu messen? Als uns dann in der Wendezeit die Wirklichkeit des politischen Geschehens eingeholt hat, fehlte es an Personen und Ideen, etwas von dieser Utopie in die Nachwendezeit zu übernehmen, oder man hatte nicht den Mut dazu. Sind wir bereit, in diesem Sinne „Kirche im Kapitalismus“ zu sein als Stachel im Fleische, Kirche , die sich nicht abfindet mit den immer mehr zunehmenden Gerechtigkeitsdefiziten und der Ausgrenzungspolitik in unserer Gesellschaft?
Wie gehen wir mit der Geschichte der DDR um? Verweigern wir uns mit politischen Argumenten einer Gleichsetzung von Nazidiktatur und der des Staatssozialismus? .Reicht es uns aus, die Nazidiktatur als unvergleichbar zu bezeichnen? Kein politisch denkender Mensch wird die DDR als Rechtsstaat bezeichnen wollen Aber wie führen wir die Debatte um den Begriff „Unrechtsstaat“? Verwechseln wir nicht allzu leicht Rechtspraxis im juristischen Sinn sowie Gewährung von Menschen- und Bürgerrechten mit sozial ausgleichender Gerechtigkeit, wenn wir die bundesrepublikanische mit der DDR-Wirklichkeit vergleichen und dabei zu dem Schluss kommen, dass die politische Führung der Bundesrepublik wegen ihrer Defizite bei der Gewährung sozialer Gerechtigkeit für sich nicht die Bezeichnung Rechtsstaat in Anspruch nehmen, und deshalb auch die ehemalige DDR, trotz ihrer massiven Rechtsverletzungen nicht als Unrechtsstaat bezeichnen dürfe? Vergessen wir nicht in all dem eher semantisch und oft auch bigott geführten Streit, unserer Jugend und der nachwachsenden Generation ein deutliches Bild von den massiven Verletzungen der Menschenrechte in der DDR zu vermitteln, nicht zuletzt auch im würdigenden Andenken an die Opfer, und dass sich die Geschichte nicht wiederhole?
Mit diesen Überlegungen steht natürlich auch eine andere Frage im unmittelbaren Zusammenhang. Wie gehen wir nach 20 Jahren mit den Stützen und Verantwortungsträgern des DDR Regimes um, und dabei sind nicht nur die IM’s sondern vor allem auch die SED Parteielite gemeint, insbesondere, wenn sie wieder politische Verantwortung übernehmen? Stimmen wir der Forderung nach der Abschaffung der Birtler- Behörde und der Regelanfrage an diese Behörde zu, oder plädieren wir für einen offen politisch geführten Dialog in dem sich die Stützen und Verantwortlichen des DDR-Regimes klar zu ihren damaligen Motiven oder politischen Überzeugungen äußern und wir, die Partner in diesem Dialog, uns bemühen sie zu verstehen und ihnen, wie Eugen Kogon und Walter Dirks einmal im Zusammenhang mit der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit sagte, das Recht auf politischen Irrtum einräumen? Dabei könnte die Birtler-Behörde oder ein Bundesarchiv hilfreich zur Seite stehen. Und ein solcher Dialog könnte auch dem AKH gut anstehen. Auf alle Fälle könnte ein solcher Dialog dieses Problem der Nach-Wende-Gesellschaft aus dem Dunstkreis religiöser Kategorien von „Bekennen und Verzeihen“, auf eine politische Ebene heben, wo es hingehört
Prof. Dr. Winfried Schülke und Prof. Dr. Peter Stosiek
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