Liebe Freunde und Freundinnen des AKH,
das vergangene Jahr hat uns einiges an Bewegung gebracht.
Papst Franziskus schickt sich offenbar an, einige Verkrustungen der Kirche aufzusprengen. In
den Medien hört sich das zum Teil euphorisch an. Dass die Frauenfrage weiterhin
konventionell behandelt wird (was hat es mit dem „besonderen Genius der Frau“ auf sich ??) ,
ist wohl der Herkunft des Papstes aus einer Machokultur geschuldet. Aber gut - alles kann
nicht auf einmal angepackt werden.
Und dann ist am 27. September unser lieber Freund Willi Verstege gestorben. Und wir haben
am 5. Oktober in einer bewegenden Trauerfeier in seiner geliebten – diesmal überfüllten –
Schlosskirche von ihm Abschied genommen.
Einer seiner Lieblingsrufe „Dein Wort ist wie Regen....“, eindrücklich immer wieder in der
Kirche gesungen, erfüllte sich auf dem Friedhof am Grab. Der Regen strömte über einem
Meer von Regenschirmen.
Der Sprecherkreis erinnert an Willi in dem Beitrag „Ein priesterlicher Mensch und ein durch
und durch menschlicher Priester“ und stützt sich dabei auf einen Bericht von Hans Löffler,
den er im Namen der Nienburger Gemeinde verfasst hat.
Das Gedenkjahr an den Beginn der Wittenberger Reformation rückt näher. Und so haben wir
eine Einladung von der „Internationalen Ökumenischen Gemeinschaft“ erhalten, mit der Bitte
um eine Zusammenarbeit. Und zwar findet vom 21. bis 28. August 2017 eine „Wittenberger
ökumenische Versammlung“ statt. Der Präsident der „Deutschen Region“ der Gemeinschaft,
Pfarrer Dr. Hans-Georg Link, hat uns schon bei der Frankfurter „Konziliaren Versammlung“
im Oktober 2012 neugierig gemacht.
Es soll darum gehen, ein deutlich hör- und sichtbares Signal zu senden, dass wir Christen
zusammengehören und miteinander unser Christsein leben und gestalten wollen. Das Thema
fordert auch heraus, uns Gedanken zu machen über Sinn oder Unsinn von Konfessionalität.
Ihre Überwindung kann eigentlich nur durch das Bewusstmachen der Sakramentalität der
Kirche(n) für die Welt gelingen: „Die Kirche als Zeichen und Mittel der Einheit“. (Es wäre
sogar hinzuzufügen: alle Religionen als Zeichen und Mittel der Einheit.) Das wäre ein weites
noch zu beackerndes Feld!
Hinweisen möchten wir auf unseren Flyer, in dem zur Jahrestagung 2014, vom 4. bis 6. April
mit Norbert Arntz wieder auf die Huysburg eingeladen wird. Klaus Winkelmann hat den
Flyer sehr schön ausführlich und einladend gestaltet, so dass er für sich spricht. Wir
empfehlen ihn Ihrer Aufmerksamkeit.
Wichtig : Anmeldung bitte bis 28. Februar. Und wer seine Überweisung nach dem 31. Januar
tätigt, sollte unbedingt die dann gültige Bankverbindung beachten: IBAN: DE91 8005 3762
0382 0854 77 / BIC: NOLADE21HAL.
Für Themenvorschläge zu Jahrestagungen sind wir immer dankbar. Wiltrud Spring hat für die
Jahrestagung 2015 den Vorschlag gemacht, sich mit der sog. Untergrundkirche in der
kommunistischen Tschechoslowakei und ihren Chancen (evtl. auch für uns heute) zu befassen
und empfiehlt dazu das Buch „Die verborgene Kirche“ von Petr Fiala und Jiri Hanus. Wir
geben diese Empfehlung gern weiter.
Und nun noch etwas in eigener Sache. Unseren Rundbrief versenden wir ca 75 mal per e-mail
und ca 150 mal per preiswertem Infobrief mit der Post. Da seit Anfang 2013 keine Infobriefe
mehr befördert wurden, schlägt der volle Preis zu Buche. Um unnötige Ausgaben zu
vermeiden, bitten wir die Postempfänger um eine Rückmeldung (per Post oder Telefon an die
obige Adresse) wenn sie den Brief weiterhin empfangen wollen. Noch besser allerdings:
wenn Sie eine mail-Adresse haben, lassen Sie sie uns zukommen.
Und so wünscht Ihnen gesegnete Weihnachtstage und ein glückliches Neues Jahr 2014 bis
zum Wiedersehen im April
im Namen des Sprecherkreises
Monika Doberschütz
Anders Mensch sein
in einer anderen Kirche
für eine andere Welt – Überlegungen von und mit
Pfarrer Norbert Arntz
Der Aktionkreis Halle lädt Sie ein zur Jahrestagung
im Benediktinerkloster Huysburg bei Halberstadt
vom 4. bis 6. April 2014
Download Programm
Willi Verstege - ein priesterlicher Mensch und ein durch und durch menschlicher
Priester.
Willi hat in den 88 Jahren, die er mit den Menschen unterwegs war, reiche Spuren
hinterlassen. Wir erinnern uns dankbar seines Lebens und Wirkens: als außerordentlich
liebenswürdiger, bescheidener und lauterer Mensch, als Priester, der an seiner Kirche litt und
ihr dennoch tief verbunden war, als Ökumeniker, der stets voller Neugier nach dem
geistlichen Reichtum „der anderen“ fragte, als wacher Zeitgenosse, der in Gesellschaft und
Kirche „in der Wahrheit leben“ wollte, als Bruder und verlässlicher Freund.
Willi wurde am am 14. April 1925 in Herten in Westfalen geboren. Ab 1947 studierte er
Theologie und wurde am 29. März 1952 in Paderborn zum Priester geweiht. Sein
Primizspruch aus dem Kolosserbrief, Kapitel 4, Vers 3 lautet: „Betet für mich, dass Gott mir
eine Tür öffne für die Verkündigung des Geheimnisses Christi, und dass ich es so verkünde,
wie ich es soll.“ Dieser Satz war Leitmotiv seines Wirkens und hat ihn zeitlebens begleitet.
Er lebte sein Priester-Sein ganz bewusst aus der Mitte der Gemeinschaft der Glaubenden und
in einer tiefen Solidarität mit ihnen.
Auf eigenen Wunsch und aus innerer Überzeugung ließ Willi sich in den Ost-Teil des
Erzbistums Paderborn, zu den Gemeinden in der „mitteldeutschen Diaspora“ schicken. Seine
erste Stelle war Bismark in der Altmark, wo er als Kuratus zwischen 1953 und 1956 mit viel
Enthusiasmus und ebenso vielen freiwilligen Helfern eine neue katholische Kirche baute.
Nach einem kurzen Zwischenspiel 1959 als Vikar in Staßfurt kam er 1960 im Alter von 35
Jahren als Pfarrvikar in die Nienburger Gemeinde St. Nikolaus.
Nienburg wurde zu Willis Lebensmittelpunkt. 53 Jahre lang war er als Pfarrvikar, Pfarrer und
zuletzt als Emeritus für seine Nienburger da - weit über seine Pensionierung als Pfarrer im
Jahr 1993 hinaus.
Zu Beginn, zwischen 1962 und 1964 baute er das Nienburger Pfarrhaus um und aus zu einem
Gemeindezentrum. Er hatte eine klare Vorstellungen davon, was nötig war: einen Ort zu
schaffen für Begegnung und Gespräch, ein offenes Haus für alle Generationen, einen Platz der
Zuflucht für Bedrängte und Hilfsbedürftige. Die Hospitalstraße 3 wurde zu einem sichtbaren
Zeichen für die Anwesenheit der Kirche unter den Menschen.
Besonders intensiv kümmerte sich Willi um die Jugendlichen aus Nienburg und Umgebung,
die gern und zahlreich zu seinen „Veranstaltungen“ kamen. Das Pfarrhaus wurde zur
alternativen Begegnungsstätte, zum Ort einer „offenen Jugendarbeit“. Durch seine persönliche
Glaubwürdigkeit hat Willi Verstege vielen Jugendlichen Werte vermittelt wie
Aufmerksamkeit und Wertschätzung für andere, Wege zur Bewahrung der bedrohten
Schöpfung, Sensibilität für die Aufgaben des Friedens. So hat er mehrere Generationen von
jungen Nienburgern nachhaltig geprägt.
Leben schützen und bewahren, das hat er für sich selbst ganz lebenspraktisch verwirklicht mit
der Adoption seines Sohnes Mario, den er von klein auf liebevoll umsorgt und bis zuletzt
unterstützt und gefördert hat.
Von 1966 bis 1969 nahm Willi in Abstimmung mit seinen evangelischen Partnern die
Umgestaltung der Schlosskirche in Angriff - zur besseren liturgischen Nutzung durch beide
Gemeinden und später auch zur Öffnung der Kirche für Konzerte und kulturelle
Veranstaltungen. Bei diesen Arbeiten wuchsen evangelische und katholische Gemeinde
zusammen, „Ökumene vor Ort“ bekam ein menschliches Gesicht. Von 1982 bis 1984 kam es
zur umfassenden Restaurierung der Schlosskirche durch die katholische und evangelische
Gemeinde unter Beteiligung vieler freiwilliger Helfer.
In dieser Zeit bezeichnete er seinen katholischen Kirchenbau in Bismark als eine
Jugendsünde, die die ökumenische Perspektive damals noch ganz ignorierte.
1988 wurde Willi zusätzlich Pfarrvikar in Großrosenburg.
Willi hat die alte Nienburger Schlosskirche geliebt und als einladenden Ort für Glaubende
und Nichtglaubende verstanden. Unvergessen sind die vielen sorgsam gestalteten
Gottesdienste, denen er durch seine authentische Sprache, aber auch durch seine mitreißende
Musikalität einen unverwechselbaren Charakter gab. Willis Singen war immer Ausdruck
einer großen geistlichen Tiefe.
Eine Frucht gewachsener ökumenischer Zusammenarbeit vor Ort war die Erarbeitung und
Verabschiedung einer lokalen Nienburger „Charta Oecumenica“ zwischen der evangelischen
und der katholischen Gemeinde im Jahr 2004. Dieses Dokument nimmt die „Charta
Oecumenica“ der christlichen Kirchen Europas von 2001 ernst, indem es konkrete
Konsequenzen und Schritte praktischer ökumenischer Zusammenarbeit für die Nienburger
Gemeinden formuliert. Für Willi war diese Charta ein ökumenischer Meilenstein. Sie
dokumentiert den festen Willen, das jetzt Mögliche verbindlich zu verabreden und zu tun, um
das noch Unmögliche zu erreichen.
Unschätzbar wichtig und wertvoll bleibt Willis Einsatz für den von ihm mitgegründeten
„Aktionskreis Halle“ (AKH). Er war der letzte noch lebende „Gründungsvater“ des AKH von
1969. Die Gründungsversammlung des AKH fand im September 1969 im Nienburger
Pfarrhaus statt. Voraufgegangen war 1968 Willis „Offener Brief“ an den Magdeburger
Prälaten Heinrich Jäger, der die Diskussion über die Bischofsnachfolge für Magdeburg
überhaupt erst in Gang brachte. Der AKH wurde zu einer weit über den Raum
Halle/Magdeburg hinaus reichenden katholischen Basisgruppe, die sich die Umsetzung der
Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962 – 1965) für die katholische Kirche in
der DDR zum Ziel setzte. An der Grundsatzerklärung des AKH von 1969 hat Willi
maßgeblich mitgearbeitet. Über vierzig Jahre lang war er ein wichtiges Mitglied im
Sprecherkreis des AKH. Seine große geistliche Autorität und seine vermittelnde Art wurden
von allen sehr geschätzt. Ab 1979 übernahm er die Aufgabe der Kommunikation im AKH
durch Herstellung und Versand der Rundbriefe unter seiner Nienburger Adresse.
Mehrfach hat Willi in den 80erJahren mit großer argumentativer Klarheit und ebenso großem
persönlichen Risiko den Repressionen des Staatssicherheitsdienstes widerstanden, der den
AKH zu kriminalisieren suchte. Legendär geworden ist die ergebnislose Hausdurchsuchung
im Nienburger Pfarrhaus 1982, die der Beschlagnahme der Druckmaschine für die Rundbriefe
des AKH galt. Sie wurde nicht gefunden; Willi hatte sie in kluger Voraussicht unter den
Altartüchern der Schlosskirche versteckt.
In der Folgezeit, im Herbst 1989, organisierte er zusammen mit den evangelischen
Ortspfarrern die friedlichen Demonstrationen und die Montagsgebete in Bernburg.
Er engagierte sich stark für eine echte Demokratisierung der Gesellschaft, sah aber auch die
Gefahren des konsum- und profitorientierten Kapitalismus.
Neben der Mitarbeit am „Runden Tisch“ des Kreises Bernburg war er mehrere Jahre als
Abgeordneter des „Neuen Forums“ bzw. der „Unabhängigen Wählervereinigung“ in der
Nienburger Stadtverordnetenversammlung tätig.
Seiner Initiative ist es auch zu verdanken, dass die Nienburger gotische Schlosskirche
aufgrund romanischer Wurzeln und Ausstattungen in die „Straße der Romanik“
aufgenommen wurde.
Für diese Initiative und für seine Bemühungen um die Ökumene erhielt er 2004 von
Bundespräsident Horst Köhler die „Verdienstmedaille des Verdienstordens der
Bundesrepublik Deutschland“.
Er hat diese Auszeichnung stellvertretend für die evangelische und die katholische Gemeinde
entgegengenommen.
Bischof Gerhard Feige sagte zur Emeritierung von Willi am 2. Dez. 2004 folgendes: „Sie
sind als Mensch erfahren worden, der Türen öffnen wollte, damit ein liebender Gott
verkündet und sichtbar werden kann. In ökumenischer Gemeinschaft haben sie das allzeit
versucht.......Ihr Tun sollte Gott als den erweisen, der uns Menschen nahe ist.....Für diese
Akzente ihrer Seelsorge möchte ich ihnen besonders danken, - auch wenn sie das manchmal
in ein kritisches Verhältnis zu den kirchlichen und staatlichen Autoritäten gebracht hat. Um
Gottes und der Menschen willen ging es ihnen ohne Rücksicht auf die Person jeweils um die
größere Liebe.“
In der letzten Zeit überwog neben der Hoffnung auf positive Veränderungen in der Kirche bei
Willi eine immer fragiler werdende Gewissheit über das, was wir „Gott“ nennen, über den
Sinn von Leben und Tod.
Deshalb wurde ihm Rose Ausländers Gedicht in den letzten Tagen ein treuer Begleiter:
Die großen Worte sind verlorengegangen.
Es heißt mit winzigen Wörtern werben
um Frieden und Liebe
im Namen der Religionen
im Namen der Ermordeten
im Namen der Lebenden
die leben wollen im Gold und Grün unsrer Erde.
Der AKH hatte das Glück, Willi auf seinem Lebensweg eine wichtige Strecke begleiten zu
dürfen. Wir haben seine Leidenschaft und seine persönliche Glaubwürdigkeit bewundert, mit
der er für das Evangelium Jesu Christi Zeugnis gab. Er hat uns alle reich beschenkt.
Im Namen des Sprecherkreises des AKH
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